Sächsisches Oberverwaltungsgericht Bautzen
Urteil
5 A 855/19.A
22.09.2021
Leitsatz
Der Wehrdienstentzug syrischer Staatsangehöriger durch Ausreise und Verbleib im Ausland begründet für „einfache“ Wehrdienstentzieher ohne hinzutretende Risikofaktoren derzeit keine Furcht vor flüchtlingsrelevanter Verfolgung.

Ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft folgt nicht aus der Anwendung von § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG. Nach der aktuellen militärischen Situation in Syrien ist derzeit nicht davon auszugehen, dass eine Ableistung des Militärdienstes in der syrischen Armee durch einen Wehrdienstpflichtigen, der sein hypothetisches Einsatzgebiet nicht kennt, diesen zwangsläufig oder zumindest sehr wahrscheinlich veranlassen würde, Verbrechen im Sinne von § 3 Abs. 2 AsylG zu begehen.

Der Senat lässt offen, ob für die spezifischen Verfolgungshandlungen nach § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG Unionsrecht gebieten kann, die gemäß § 3a Abs. 3 AsylG erforderliche Verknüpfung zwischen der Verrfolgungshandlung und dem Verfolgungsgrund bereits dann zu bejahen, wenn die Verweigerung des Wehrdienstes nach § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG auf einem Grund i. S. d. § 3b AsylG beruht, unabhängig davon, ob die hieran anschließende Bestrafung durch den Verfolgungsakteur ihrerseits in diesen Fällen nicht final, sondern letztlich nur kausal hiermit verbunden ist.

Der Senat lässt ferner offen, ob in Fällen, in denen - anders als nach den Feststellungen des Senats hier - der Militärdienst gemäß § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG in einem Konflikt Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Abs. 2 AsylG fallen, eine Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes i. S. d. Norm mit der Erwägung verneint werden kann, dass faktisch im Herkunftsland keine Bestrafung des Wehrdienstentzugs, sondern stattdessen eine Einziehung zum Militärdienst stattfindet, ohne dass in diese Erwägung einbezogen wird, mit welchen Maßnahmen ein Antragsteller zu rechnen hätte, wenn er nach einer solchen Einziehung zum Militärdienst sodannn die Begehung von Verbrechen oder Handlungen i. S. d. § 3 Abs. 2 AsylG im konkreten Einsatz verweigern würde.

"Einfache" Wehrdienstentzieher ohne hinzutretende Risikofaktoren sind im Falle ihrer Rückkehr keiner Verfolgungsqualität erreichenden diskriminierenden Behandlung durch das syrische Regime oder einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Strafverfolgung oder Bestrafung (§ 3a Ab. 2 Nr. 2 und 3 AsylG) wegen einer (unterstellten) oppositionellen Gesinnung oder eines anderen Verfolgungsgrundes (§ 3a Abs. 3 i. V. m. § 3b Abs. 1 und Abs. 2 AsylG) ausgesetzt.
Schlagwörter: Syrien,
Wehrdienstentzug,
Flüchtlingsschutz,
Verbrechen,
Verknüpfung
Rechtsvorschriften: AsylG § 3a Abs. 2 Nr. 2, Nr. 3 und Nr. 5,
AsylG § 3a Abs. 3,
AsylG § 3 Abs. 2,
Art. 9 Abs. 2 Buchst. e der Richtlinie 2011/95/EU
Verweise / Links:
Volltext (hier klicken)