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SächsVerfGH, Urteil vom 12. Juni 2025 - Vf. 13-II-21 (HS)
Teilweise erfolgreicher Antrag im Verfahren der abstrakten Normenkontrolle gegen Vorschriften der Sächsischen Corona-Schutz-Verordnungen vom 26. Januar 2021 und vom 12. Februar 2021
Amtlicher Leitsatz: 1. Wird die Verfassungswidrigkeit mehrerer Normen in einem Verfahren der abstrakten Normenkontrolle geltend gemacht, müssen die angefochtenen Normen genau bezeichnet und hinsichtlich jeder einzelnen Regelung substantiiert dargelegt werden, aus welchen Gründen die Vereinbarkeit derselben mit welchen Bestimmungen der Landesverfassung bezweifelt wird. Dies gilt auch dann, wenn die einer landesrechtlichen Regelung zugrundeliegende bundesrechtliche Ermächtigungsgrundlage angegriffen wird. Betrifft der Begründungsmangel nur eine von mehreren angegriffenen Normen, ist der Antrag insoweit unzulässig.
2. Die den Sächsischen Corona-Schutz-Verordnungen vom 26. Januar 2021 und 12. Februar 2021 zugrundeliegende Ermächtigungsgrundlage des § 32 Satz 1 i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 1, 2 und § 28a Abs. 1, Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 IfSG war nicht offenkundig grundgesetzwidrig, insbesondere widersprach sie nicht offenkundig dem Parlamentsvorbehalt, dem Bestimmtheitsgebot und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
3. Die Beschränkungen zwischenmenschlicher Kontakte durch § 2 Abs. 1 Satz 1 SächsCoronaSchVO vom 26. Januar 2021 und 12. Februar 2021 griffen tief in das Grundrecht auf Ehe und Familie sowie in das allgemeine Persönlichkeitsrecht ein, welches seinerseits für Kinder und Jugendliche durch Art. 9 Abs. 1 und 2 SächsVerf verstärkt wird. Diese Beschränkungen waren zum Zeitpunkt des Verordnungserlasses noch verfassungsrechtlich gerechtfertigt, dürften jedoch zukünftig nach den während des Verlaufs der Pandemie gewonnenen Erkenntnissen gerade im Hinblick auf die besondere Bedeutung des sozialen Kontakts für Kinder und Jugendliche verfassungsrechtlich kaum zu vertreten sein.
4. Die Ausgestaltung der Teilnehmerbegrenzung bei Eheschließungen und Beerdigungen in § 2a Abs. 1 Satz 1 und 2 SächsCoronaSchVO vom 26. Januar 2021 und 12. Februar 2021 ließ durch die Kombination aus einer normierten Höchstgrenze von zehn teilnehmenden Personen, die unabhängig von der lokalen Inzidenz galt, einer Bestimmung des Teilnehmerkreises und dessen zusätzlicher Begrenzung durch den Einschluss erforderlichen Personals einen verfassungsgemäßen Ausgleich zwischen dem Schutz von Leben und Gesundheit und der besonderen Bedeutung der genannten Anlässe für das Grundrecht auf Ehe und Familie nicht hinreichend erkennen.
5. Die Ausnahmetatbestände in § 2b Satz 2 Nr. 16 SächsCoronaSchVO vom 26. Januar 2021 und § 2b Abs. 1 Satz 2 Nr. 19 SächsCoronaSchVO vom 12. Februar 2021 zu der tagsüber geltenden Ausgangsbeschränkung waren verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass auch das bloße Verweilen im Freien unter Berücksichtigung der Kontaktbeschränkungen im Übrigen gestattet war.
6. Die nächtliche Ausgangssperre in § 2c SächsCoronaSchVO vom 26. Januar 2021 und 12. Februar 2021 war nicht erforderlich.
7. Die Begrenzung der Teilnehmerzahl auf maximal zehn Personen bei einer über fünf Tage andauernden Überschreitung des Sieben-Tage-Inzidenzwertes von 300 aus § 9 Abs. 3 SächsCoronaSchVO vom 26. Januar 2021 und 12. Februar 2021 verstieß unter Berücksichtigung der Möglichkeit der Erteilung von Ausnahmen in § 9 Abs. 4 SächsCoronaSchVO nicht gegen das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit.
Links: vollständiger Text
Weitere Entscheidung(en): Beschluss vom 11. Februar 2021 in dem e.A.-Verfahren Vf. 14-II-21 (e.A.)

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