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SächsVerfGH, Beschluss vom 22. Mai 2014 - Vf. 20-IV-14 (HS)/21-IV-14 (e.A.)
Erfolgreiche Verfassungsbeschwerde gegen Ablehnung eines Eilantrages zur vorläufigen Dehnung der gymnasialen Oberstufe zugunsten einer unter dem Asperger-Syndrom leidenden Schülerin
Amtlicher Leitsatz: 1. Das Grundrecht auf chancengleiche Schulbildung gebietet es, behinderten Schülern begabungsgerechte und möglichst gleichwertige Bildungsmöglichkeiten zu gewähren. Benötigt ein Schüler nach Art und Grad seiner Behinderung eine Modifikation der allgemeinen Bedingungen, unter denen andere Schüler beschult werden, um Bildungsmöglichkeiten entsprechend seinen Anlagen und Befähigungen wahrnehmen zu können (sog. Nachteilsausgleich), so sind die erforderlichen Vorkehrungen zur Kompensation der Behinderung ? soweit pädagogische Erwägungen und Rechte Dritter nicht entgegenstehen ? im Rahmen des organisatorisch, personell und von den sächlichen Voraussetzungen her Möglichen zu treffen. Derartige Vorkehrungen müssen einzelfallbezogen erfolgen und im erforderlichen Maße alle wesentlichen Aspekte der Teilhabe am Unterricht und am sonstigen Schulleben abdecken können.
2. Die Gewährleistungen des Grundrechts auf chancengleiche Schulbildung stehen innerhalb dieser Grenzen unter dem Vorbehalt der Ausformung durch den Landesgesetzgeber. Der Gesetzgeber hat dabei zu berücksichtigen, dass die Gewährung von Kompensationen die Grundrechte der anderen Schüler auf chancengleiche Bildung und Chancengleichheit im Prüfungsverfahren berühren kann; ihm obliegt, unter Berücksichtigung seiner pädagogischen Wertungen sowie der organisatorischen, finanziellen, sächlichen und personellen Voraussetzungen die gegenläufigen Grundrechte in Ansehung ihrer jeweiligen Bedeutung zum Ausgleich zu bringen.
3. Ein behinderter Schüler hat grundsätzlich keinen verfassungsunmittelbaren Anspruch auf eine konkrete Kompensationsmaßnahme. Der Gesetzgeber muss jedoch insgesamt seinem einzelfallbezogenen Bedarf an Unterstützung und Ausgleich angemessen Rechnung tragen.
4. Bei der Prüfung der Erforderlichkeit einer verfassungskonformen Auslegung des einfachen Rechts sind einzelfallbezogen einerseits die grundrechtlich geschützten Interessen des behinderten Schülers in ihrem konkreten Gewicht, andererseits Ob und Ausmaß der Betroffenheit von Grundrechten auf chancengleiche Schulbildung anderer Schüler sowie Art und Bedeutung der durch die Kompensationsmaßnahme (hier: Dehnung der gymnasialen Oberstufe) berührten pädagogischen Belange festzustellen und abzuwägen.
Links: vollständiger Text
Weitere Entscheidung(en): Beschluss vom 17. Juli 2014 - Festsetzung des Gegenstandswertes

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