07.10.2020

Ergebnisse der Konferenz

Ergebnisse der Konferenz der Präsidentinnen und Präsidenten der Oberlandesgerichte, des Kammergerichts, des Bayerischen Obersten Landesgerichts und des Bundesgerichtshofs vom 5. bis 7. Oktober 2020

Präsidenten der Oberlandesgerichte streben Modernisierung der Zivilprozesse an.

Die 72. Jahrestagung der Präsidentinnen und Präsidenten der Oberlandesgerichte, des Kammergerichts, des Bayerischen Obersten Landesgerichts und des Bundesgerichtshofs fand in diesem Jahr auf Einladung des Präsidenten des Oberlandesgerichts Gilbert Häfner in Dresden statt. Vom 5. bis 7. Oktober 2020 berieten 25 Präsidentinnen und Präsidenten der obersten ordentlichen Gerichte der Bundesrepublik Deutschland im Ständehaus über aktuelle rechtspolitische Fragen und Themen der Gerichtspraxis.

Die umfangreiche Tagesordnung umfasste 23 Punkte zu aktuellen rechtspolitischen Fragen und Themen der Gerichtspraxis. Die Schwerpunkte der Tagung lagen auf der Modernisierung des Zivilprozesses, bei Fragen des Umgangs mit Massenverfahren im Verbraucherschutzrecht und Problemen bei der Durchführung von Strafprozessen bei Konfliktverteidigungen. Zudem stand der Austausch über den elektronischen Rechtsverkehr und weitere zukunftsweisende Ansätze der Digitalisierung der Justiz im Fokus der Tagungsteilnehmer, die hier länderübergreifend zusammenarbeiten. Darüber hinaus wurden Wege zur Frauenförderung und Nachwuchsgewinnung sowie sonstige Personalentwicklungsfragen erörtert. Auch die Herausforderungen an die Gewährleistung der Arbeitsfähigkeit der Justiz unter den Bedingungen der Corona-Virus-Pandemie waren Gesprächsgegenstand.

Die Präsidentinnen und Präsidenten der Oberlandesgerichte und des Bundesgerichtshofs streben eine weitreichende Modernisierung der gerichtlichen Verfahren im Zivilrecht an. Ziel der Modernisierung des Zivilprozesses ist es, neue technischen Möglichkeiten sinnvoll nutzbar zu machen und die Vorschriften der Zivilprozessordnung und des Gerichtsverfassungsgesetzes anzupassen, um Gerichtsverfahren bürgerfreundlicher, effizienter und ressourcenschonender zu gestalten.

Auf ihrer diesjährigen Konferenz in Dresden haben sich die Präsidentinnen und Präsidenten schwerpunktartig mit den Möglichkeiten für Bürger, insbesondere Verbraucher, befasst, Ansprüche gerichtlich geltend zu machen. Die Möglichkeiten der Digitalisierung sollen besser genutzt werden und den Bürgern ein leichterer (niedrigschwelliger) Zugang zu den Gerichten ermöglicht werden.

Zu diesem Thema und zu weiteren Reformvorschlägen für den Zivilprozess hat eine von den Präsidenten eingesetzte Arbeitsgruppe einen umfangreichen Bericht vorgelegt, der nun weiter - auch mit der Fachöffentlichkeit - diskutiert werden soll. Darin heißt es, dass die derzeit bestehenden Möglichkeiten nicht ausreichen. Es wird die Einführung eines Online-Verfahrens gefordert, bei dem die Bürger Ansprüche mithilfe von Eingabemasken ohne großen Aufwand und gegebenenfalls auch ohne anwaltliche Hilfe geltend machen können. Damit soll den Verbrauchern neben dem Angebot privater Rechtsdienstleister die Möglichkeit gegeben Ansprüche einfacher durchzusetzen. Damit wird auch vermieden, dass in bestimmten Bereichen die Gerichte ihre Aufgabe der Auslegung und Fortbildung des Rechts nicht mehr wahrnehmen können, weil die Rechtsverfolgung weitgehend auf private Anbieter übergeht.

Nach den Vorstellungen der Arbeitsgruppe der OLG-Präsidentinnen und Präsidenten soll dieses Verfahren im Rahmen einer stufenweisen Einführung zunächst für ausgewählte Ansprüche getestet und nach und nach ausgeweitet werden. Solche Verfahren könnten, soweit sie als reine Online-Verfahren ausgestaltet werden, bei einzelnen Gerichten konzentriert werden, gegebenenfalls sogar länderübergreifend (vergleiche Paragraph 13 a GVG in der Fassung ab 1.1.2021). Der Bericht der Arbeitsgruppe wird als fundierte Arbeitsgrundlage für weitere Überlegungen gesehen. Der diesbezügliche Diskussionsprozesses der Präsidentinnen und Präsidenten soll auch mit weiteren fachkundigen Gremien fortgesetzt werden.

Die Musterfeststellungsklage als Möglichkeit der gebündelten Verfolgung von Ansprüchen einer Vielzahl von Verbrauchern ist daneben sinnvoll, kann das angestrebte Online-Verfahren für einzelne Verbraucher jedoch nicht ersetzen.

Neben dem Online-Verfahren enthält das von der Arbeitsgruppe der OLG-Präsidentinnen und Präsidenten vorgelegte Arbeitspapier eine Reihe weiterer Vorschläge für die Modernisierung des Zivilprozesses. Hier ist insbesondere die Einführung eines sogenannten strukturierten Verfahrens zu nennen, bei dem anstelle des fortlaufenden Austausches umfangreicher Schriftsätze der Vortrag der streitenden Prozessparteien in eine digitale Struktur eingebracht werden soll. Das erleichtert dem Gericht und den Prozessparteien jederzeit den Überblick, was zu den einzelnen Punkten streitentscheidend ist.

Auch über die Erfahrungen mit der 2018 eingeführten Musterfeststellungsklage, insbesondere in den VW-Abgasverfahren, haben sich die OLG Präsidenten ausgetauscht. Sie wollen diesen Austausch fortsetzen und sich insbesondere mit der Frage beschäftigen, wie erreicht werden kann, dass durch rasche obergerichtliche Klärung von Rechtsfragen Prozesslawinen in den unteren Instanzen vermieden werden können.

Das Thesenpapier der Arbeitsgruppe zur Modernisierung des Zivilprozesses, das auch unter den Präsidentinnen und Präsidenten als Diskussionsgrundlage dient, und der diesbezügliche Beschluss der OLG-Präsidentinnen und Präsidenten sind in der Anlage einsehbar.

Medieninformation 35/2020

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