Hauptinhalt

Maßnahmen für ein entschlossenes Vorgehen gegen Extremistinnen und Extremisten im Öffentlichen Dienst

Nach der Bundestagswahl im Herbst 2021 entbrannte eine intensiv geführte rechtspolitische Diskussion. Sie kreiste um die Frage, ob es Abgeordneten nach Beendigung ihres Mandats gestattet sein muss, ohne weiteres in den öffentlichen Dienst zurückzukehren, wenn im Zuge ihrer politischen Arbeit erhebliche Zweifel an ihrer Verfassungstreue aufgekommen sind. Es zeigte sich: Die Auseinandersetzung darüber, wie der Rechtsstaat mit solchen ehemaligen Abgeordneten umgehen sollte, die sich verfassungsfeindlich betätigt haben und dann als Beamtinnen und Beamte, Richterinnen und Richter eine Rückkehr in sensible Bereiche des öffentlichen Dienstes anstreben, bedarf einer grundsätzlichen Klärung.

Das Thema berührt den Rechtsstaat in seinem Selbstverständnis, stellt es doch das sorgfältig austarierte Verhältnis der drei Gewalten tendenziell unter Spannung. Besonderes Augenmerk verdient dabei die Frage der richterlichen Unabhängigkeit, vor allem wo es um Maßnahmen der Exekutive, also der Landesjustizverwaltungen, in Bezug auf Richterinnen und Richter geht. Zu fragen ist auch nach den konkreten Rechten und Pflichten von (ehemaligen) Parlamentarierinnen und Parlamentariern, also Mitgliedern der Legislative. Denn auch wenn es natürlich keinerlei Abstriche an der richterlichen Unabhängigkeit geben darf, lässt sich das Vertrauen in den Rechtsstaat nicht aufrechterhalten, wenn auf der Richterbank Extremistinnen und Extremisten Platz nehmen. Man wird wohl kaum darauf bauen können, dass diesen die freiheitliche demokratische Grundordnung am Herzen liegt, gegen die sie im Rahmen ihres politischen Mandats agitiert haben.

Meine Erfahrungen der letzten Monate haben mir gezeigt, dass es hier Regelungslücken und Rechtsunsicherheiten gibt. Diese müssen wir schließen und für mehr Rechtssicherheit sorgen.

Katja Meier, Staatsministerin der Justiz und für Europa, Demokratie und Gleichstellung

Dass eine meinungsstarke, politisch interessierte Öffentlichkeit großen Anteil an dieser kontrovers geführten Debatte nimmt, verwundert nicht. Dennoch darf die Beantwortung der in diesem Zusammenhang aufkommenden, rechtswissenschaftlichen Fragestellungen weder einer unreflektierten Empörung noch dem subjektiven Rechtsgefühl überlassen werden. Vielmehr sollten wir eine überfällige Diskussion darüber führen, wie wir den Rechtsstaat in dieser Hinsicht wehrhafter machen können. Um Regelungslücken zu füllen und Rechtsunsicherheiten auszuräumen, müssen wir über Anpassungen bereits existierender disziplinarrechtlicher Maßnahmen und weiterer Instrumente auf Bundes- und Länderebene sprechen. Das gilt etwa für Maßnahmen für ein entschlossenes Vorgehen gegen Extremistinnen und Extremisten im öffentlichen Dienst die Fristenregelungen in den Disziplinargesetzen, das Deutsche Richtergesetz (in seinem Verhältnis zum Disziplinarrecht), die Abgeordnetengesetze sowie das Bundesverfassungsgerichtsgesetz.

In Sachsen müssen wir insbesondere darüber diskutieren, die dienstaufsichtsrechtliche Zuständigkeit bei Disziplinarverfahren gegen Richterinnen und Richter zu reformieren. Die folgenden Vorschläge beruhen allesamt auf den im Freistaat Sachsen gemachten Erfahrungen und sollen die erforderliche rechtspolitische Diskussion initiieren. Ich halte es für unverzichtbar, dass wir uns dieser Debatte jetzt stellen und damit ein klares Zeichen setzen: Extremistinnen und Extremisten werden im Staatsdienst nicht geduldet.

Ausgangslage: Das Bundesdisziplinargesetz (BDG) verbietet in § 15 einzelne disziplinarrechtliche Maßnahmen, wenn seit Vollendung eines Dienstvergehens bestimmte Zeiträume verstrichen sind. Es gelten folgende Fristen:

1. Für einen Verweis: 2 Jahre

2. Für eine Geldbuße, eine Kürzung der Dienstbezüge oder des Ruhegehaltes: 3 Jahre

3. Für eine Zurückstufung: 7 Jahre

Nur die Entfernung aus dem Dienstverhältnis wird in § 15 BDG nicht limitiert und ist daher unbeschränkt möglich. Das BDG verbietet in § 16 weiterhin die Berücksichtigung bereits erlassener Disziplinarmaßnahmen in späteren Disziplinarverfahren, wenn bestimmte Zeiträume verstrichen sind. Hier gelten entsprechende Fristen:

1. Nach einem Verweis: 2 Jahre

2. Nach einer Geldbuße, einer Kürzung der Dienstbezüge oder des Ruhegehaltes: 3 Jahre

3. Nach einer Zurückstufung: 7 Jahre

Problemstellung: Gerade Verstöße gegen das politische Mäßigungsgebot von Beamtinnen und Beamten sowie Richterinnen und Richtern sind oftmals isoliert betrachtet nur schwer zu ahnden. Einerseits stehen sie im Spannungsfeld zum Grundrecht der Meinungsfreiheit. Andererseits können durch unterschiedliche Interpretationen Zweifel am Kern der Aussage bestehen. Der Verstoß gegen das Mäßigungsgebot wird vielfach erst durch eine Gesamtschau verschiedener Äußerungen deutlich. In diesen Fällen können die o.g. Fristen die Dienstvorgesetzten an wirksamen Disziplinarmaßnahmen hindern.

Lösung: Die Fristen in den §§ 15, 16 BDG sollten ausgeweitet werden und zwar jeweils von zwei, drei und sieben Jahren auf fünf, sieben und zehn Jahre. Auf diese Weise könnten Dienstvergehen, die sich über einen längeren Zeitraum erstrecken, effektiver gemeinsam betrachtet und geahndet werden. Gleichzeitig würde der Regelungszweck der §§ 15, 16 BDG aufrechterhalten, der davon ausgeht, dass mit zunehmendem Zeitablauf die Disziplinierung weniger erfolgversprechend wird und daher der Wiederherstellung des Rechtsfriedens Vorrang gebührt.

Die einzelnen Landesdisziplinargesetze sollten entsprechend geändert werden.

 

Ausgangslage: Nach § 31 des Deutschen Richtergesetzes (DRiG) kann eine Richterin oder ein Richter auf Lebenszeit in den Ruhestand versetzt werden, wenn Tatsachen außerhalb ihrer oder seiner richterlichen Tätigkeit eine Maßnahme dieser Art zwingend gebieten, um eine schwere Beeinträchtigung der Rechtspflege abzuwenden. § 35 i.V.m. § 30 Abs. 1 Nr. 3 DRiG ermöglicht in solchen Fällen außerdem die vorläufige Untersagung der Führung der Amtsgeschäfte.

Außerdienstliches Fehlverhalten einer Richterin oder eines Richters kann nach den Vorschriften des BDG auch mit einer Disziplinarmaßnahme bis hin zu einer Entfernung aus dem Dienst bzw. der Aberkennung von Ruhestandsbezügen geahndet werden. Mit oder nach der Einleitung des Disziplinarverfahrens kann auch eine vorläufige Dienstenthebung erfolgen, wenn im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Richterverhältnis oder auf Aberkennung des Ruhegehaltes erkannt werden wird. Eine ausdrückliche Regelung zum Verhältnis der Eilanträge im Disziplinarverfahren und im Verfahren über die Versetzung im Interesse der Rechtspflege enthält das DRiG nicht.

Problemstellung: Es ist gesetzlich nicht geklärt, in welchem Verhältnis die Eilanträge im dienstrechtlichen Ruhestandsverfahren gemäß §§ 31, 35 DRiG zu den Eilanträgen im Disziplinarverfahren stehen. Disziplinarrechtliche Eilanträge zum Dienstgericht könnten ein vorläufig beantragtes Verbot der Führung der Amtsgeschäfte im Ruhestandesversetzungsverfahren eventuell gefährden, wenn das Dienstgericht von einem Subsidiaritäts- oder Ausschlussverhältnis zwischen beiden Eilverfahren ausgehen sollte. In der Rechtswissenschaft wird insoweit vertreten, dass bei einer Konkurrenz zwischen einer disziplinarischen Suspendierung und einer vorläufigen Untersagung der Dienstgeschäfte die disziplinarische Suspendierung vorgeht. Rechtsprechung hierzu existiert bislang nicht. Im Interesse eines entschlossenen Vorgehens gegen Verfassungsfeinde im Richterdienst wäre es sinnvoll, wenn beide Eilverfahren parallel durchgeführt werden könnten.

Lösung: Die Vorschriften der §§ 31, 35 DRiG sollten um eine Regelung ergänzt werden, wonach die dort genannten Anträge von der Durchführung eines Disziplinarverfahrens unberührt bleiben.

 

Ausgangslage: Nach § 35 DRiG kann das Gericht in einem der dort genannten Verfahren – also auch in Verfahren auf Ruhestandsversetzungen im Interesse der Rechtspflege nach § 30 Abs. 1 Nr. 3, 31 Nr. 3 DRiG – auf Antrag der Richterin oder dem Richter die Führung ihrer oder seiner Amtsgeschäfte vorläufig untersagen. Ein Antrag auf vorläufige Reduzierung der Dienstbezüge ist bislang nicht vorgesehen.

Problemstellung: Anders als bei einer vorläufigen Untersagung der Amtsgeschäfte auf der Grundlage von § 35 DRiG i.V.m. § 31 DRiG können bei einer vorläufigen Dienstenthebung auf disziplinarrechtlicher Grundlage gemäß § 38 Abs. 2 BDG und den entsprechenden landesrechtlichen Regelungen von den monatlichen Dienstbezügen gleichzeitig zur oder nach der vorläufigen Dienstenthebung bis zu 50 Prozent einbehalten werden, wenn im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Richterverhältnis erkannt werden wird. Der teilweise Einbehalt der Dienstbezüge hat dabei Sicherungscharakter. Bei der bestehenden Erwartung, dass mit überwiegender Wahrscheinlichkeit die Entfernung aus dem Dienst ausgesprochen werden wird, und bei gleichzeitig oder bereits zuvor ausgesprochener vorläufiger Dienstenthebung ist es für den Dienstherrn nicht zumutbar, weiter die vollen Dienstbezüge zu entrichten. Die Alimentationsverpflichtung ist keine von der tatsächlichen Dienstleistung unabhängige Unterhaltsgewährung, sondern kann nur im Zusammenhang mit der Dienstverpflichtung und der Dienstleistung der oder des Berechtigten gesehen werden, die oder der sich mit der ganzen Persönlichkeit zur Verfügung stellt und innerhalb des ihr oder ihm übertragenen Amtes die Dienstpflichten nach Kräften erfüllt. Die Anordnung der teilweisen Einbehaltung der Dienstbezüge führt als vorläufige Maßnahme (lediglich) dazu, dass die einbehaltenen Bezüge erst unter der auflösenden Bedingung fällig werden, dass keine Dienstenthebung ausgesprochen werden sollte (so § 40 Abs. 2 BDG).

Lösung: Die Regelung des § 35 DRiG sollte um einen Antrag auf vorläufige Reduzierung der Bezüge ergänzt werden. Eine solche könnte sich inhaltlich (mit Ausnahme der Regelungen zur Höhe und der Zuständigkeit allein des Dienstgerichts) an § 38 Abs. 2 bis 4 BDG orientieren. Für den Fall der vorläufigen Untersagung der Amtsgeschäfte nach § 35 DRiG besteht ein zur disziplinarrechtlichen Handhabung vergleichbares Sicherungsbedürfnis, wenn zu erwarten ist, dass in der Hauptsache voraussichtlich eine Ruhestandsversetzung nach § 31 DRiG erfolgen wird. Die Einschätzung der Erfolgsaussicht des Hauptsacheantrags dürfte zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Einbehalt mit dem Ergebnis der Prüfung der Zulässigkeit und Begründetheit des Eilantrages durch das Dienstgericht übereinstimmen. In Übereinstimmung mit dem durch § 38 Abs. 2 BDG erfassten Sachverhalt erbringt die Richterin oder der Richter auch hier keine Dienstleistung, sodass es an der Voraussetzung für die Gewährung der vollen Alimentation fehlt. Allerdings dürfte ein Einbehalt hier der Höhe nach auf die Differenz zu den der Richterin oder dem Richter nach der Hauptsacheentscheidung zustehenden Ruhestandsbezügen beschränkt sein. Zwar entfällt die Dienstleistungspflicht ebenfalls in vollem Umfang, es fehlt aber an einem weitergehenden Sicherungsbedürfnis.

 

Ausgangslage: Der Antrag des Bundestags, eine Bundesrichterin oder einen Bundesrichter in den Ruhestand zu versetzen oder zu entlassen, sog. Richteranklage, Art. 98 Abs. 2 Grundgesetz (GG), ist nach § 58 Abs. 3 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes (BVerfGG) innerhalb von zwei Jahren ab dem auslösenden Verstoß der Richterin oder des Richters zu stellen. Wird der Richterin oder dem Richter ein Verstoß im Amt vorgeworfen, so ist nach § 58 Abs. 2 BVerfGG der Antrag nur innerhalb von sechs Monaten seit der rechtskräftigen Beendigung des gerichtlichen Verfahrens zulässig, in dem die Richterin oder der Richter sich des Verstoßes schuldig gemacht haben soll. Das Gleiche gilt für Anträge des Landtags in Bezug auf eine Richterin oder einen Richter des Landes (Art. 98 Abs. 5 GG).

Problemstellung: Bislang ist es zu keiner erfolgreichen Richteranklage gekommen, weder auf Bundes- noch auf Landesebene. Es erscheint nicht ausgeschlossen, dass einer von verschiedenen Gründen hierfür auch ist, dass die Fristen des § 58 BVerfGG – für etwaige Vorermittlungen, für Beratungen im Parlament und für die Erstellung der Antragsschrift und deren Beschlussfassung – zu kurz sind.

Lösung: Die Frist von zwei Jahren in § 58 Abs. 3 BVerfGG wird auf fünf Jahre gestreckt, die Frist von sechs Monaten in § 58 Abs. 2 S. 2 BVerfGG auf ein Jahr.

 

Ausgangslage: Solange eine Richteranklage beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) anhängig ist, wird nach § 60 S. 1 BVerfGG ein wegen desselben Sachverhalts bei einem Disziplinargericht anhängiges Verfahren ausgesetzt. Keine ausdrückliche Regelung enthält das BVerfGG zum Verhältnis der Richteranklage zum Verfahren über die Versetzung im Interesse der Rechtspflege (§ 31 DRiG) und das zugehörige vorläufige Verfahren (§ 35 i.V.m. § 30 Abs. 1 Nr. 3 DRiG).

Problemstellung: Es ist unklar, in welchem Verhältnis die Richteranklage zu dienstrechtlichen Verfahren steht, die nicht ausdrücklich vom Wortlaut des § 60 S. 1 BVerfGG erfasst werden. Es entspräche dem Interesse eines entschlossenen Vorgehens gegen Verfassungsfeinde im Richterdienst, wenn solche Verfahren nicht wegen der Anhängigkeit einer Richteranklage ausgesetzt würden.

Lösung: § 60 BVerfGG wird um eine neue Regelung ergänzt, wonach Verfahren nach den §§ 31 und 35 DRiG von der Anhängigkeit einer Richteranklage und einer Entscheidung des BVerfG hierüber unberührt bleiben.

 

Ausgangslage: Nach § 5 Abs. 1 S. 1 des Abgeordnetengesetzes des Bundes (AbgG) bestehen für Beamtinnen und Beamte während der Mitgliedschaft im Bundestag die Pflicht zur Amtsverschwiegenheit und das Verbot der Annahme von Belohnungen und Geschenken fort; im Übrigen ruhen aber die Rechte und Pflichten aus dem Dienstverhältnis. Das umfasst nach bislang vorherrschender Auffassung in der Rechtswissenschaft auch die Pflicht zur Verfassungstreue. Nach § 8 Abs. 1 AbgG gilt dies auch für Richterinnen und Richter. Verhalten während der Mitgliedschaft im Bundestag kann deshalb nach dieser Auffassung – auch außerhalb des Schutzbereichs der Indemnität des Art. 46 Abs. 1 GG – grundsätzlich kein Anknüpfungspunkt für ein Disziplinarverfahren sein, selbst wenn es tatbestandlich die Pflicht zur Verfassungstreue verletzt.

Problemstellung: Angesichts der in § 6 AbgG vorgesehenen Wiederverwendung im öffentlichen Dienst nach Ausscheiden aus dem Bundestag muss der Dienstherr nach vorherrschender Auffassung in der Rechtswissenschaft auch solche Abgeordneten wiederverwenden, die sich während der Mitgliedschaft im Bundestag klar erkennbar verfassungswidrig betätigt haben. Für disziplinarrechtliche Maßnahmen müsste er auf neue Dienstvergehen »warten«.

Lösung: Durch Änderung von § 5 Abs. 1 AbgG wird vorgesehen, dass die Pflicht zur Verfassungstreue während des Mandats fortbesteht. Im Spannungsverhältnis zu Art. 46 Abs. 1 GG (Indemnität), Art. 48 Abs. 2 GG (Hinderungsverbot) und Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG (freies Mandat) spricht der hohe Rang des freien Mandats gleichwohl dafür, (nur) den Kerngehalt der Verfassungstreue zu erfassen. Insoweit bietet der Wortlaut von § 47 Abs. 2 S. 1 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG) Orientierung. Danach stellt es für Ruhestandsbeamtinnen und -beamten ein Dienstvergehen dar, sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes zu betätigen. § 5 Abs. 1 AbgG könnte danach um das Verbot ergänzt werden, sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes zu betätigen. Die einzelnen Landesabgeordnetengesetze könnten hinsichtlich der Abgeordneten der Länderparlamente entsprechend geändert werden.

 

Ausgangslage: Nach § 6 Abs. 1 AbgG sind Beamtinnen und Beamte nach Ausscheiden aus dem Bundestag wiederzuverwenden. Hierauf hat die betroffene Person einen Anspruch (§ 6 Abs. 1 S. 2 AbgG). Nach § 8 Abs. 1 AbgG gilt dies auch für Richterinnen und Richter.

Problemstellung: Das Abgeordneten- und das Dienstrecht enthalten derzeit nicht ausdrücklich Vorkehrungen für den Fall, dass sich eine Beamtin, ein Beamter, eine Richterin oder ein Richter während der Parlamentszugehörigkeit als derart untragbar erwiesen hat, dass sie oder er das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit verloren hat. Dieses Vertrauen stellt im Disziplinarrecht jedoch schon nach geltender Rechtslage ein maßgebliches Kriterium für die Bemessung von Disziplinarmaßnahmen dar (vgl. § 13 Abs. 2 BDG) und kann insoweit als Voraussetzung für die Belassung im Dienstverhältnis gesehen werden.

Lösung: Durch Ergänzung von § 6 Abs. 1 S. 2 AbgG wird (etwa durch eine „es sei denn“- Formulierung) vorgesehen, dass der Rückführungsanspruch insoweit seine Grenzen findet, als die Nichteignung der betroffenen Person für eine Rückführung in das Dienstverhältnis festzustellen ist. Zum Schutz des freien Mandats auf der einen Seite und der richterlichen Unabhängigkeit auf der anderen Seite sollte die Feststellung der Nichteignung von Richterinnen und Richtern dem Richterdienstgericht auf Antrag des Dienstherrn vorbehalten bleiben. Die einzelnen Landesabgeordnetengesetze könnten hinsichtlich der Abgeordneten der Länderparlamente entsprechend geändert werden.

 

Ausgangslage: Die gegenwärtige Rechtslage sieht in den §§ 15, 23, 29, 32 und 35 des Sächsischen Justizgesetzes (SächsJG) eine gestufte Zuständigkeit im Rahmen der richterlichen Dienstaufsicht vor. Sie unterscheidet zwischen der oder dem unmittelbaren, höheren und obersten Dienstvorgesetzten. Im Rahmen von Disziplinarverfahren gegen Richterinnen oder Richter hat das Justizministerium als oberste Dienstbehörde auf Grundlage von § 17 Abs. 1 S. 2 des Sächsischen Disziplinargesetzes (SächsDG) i.V.m. § 41 Abs. 1 des Sächsischen Richtergesetzes (SächsRiG) ein Selbsteintrittsrecht. Dieses ist nach Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs aufgrund der geltenden sächsischen Rechtslage allein auf Fälle beschränkt, in denen die oder der unmittelbare Dienstvorgesetzte nicht tätig wird, verhindert ist oder Gefahr im Verzug besteht.

Problemstellung: Das Justizministerium kann auf Grund der oben beschriebenen Rechtslage auch in Disziplinarverfahren gegen Richterinnen oder Richter, welche ein Dienstvergehen in Form eines Verstoßes gegen die Verfassungstreuepflicht zum Gegenstand haben, nur in den o.g. Fällen das Verfahren an sich ziehen. Dies erscheint mit Blick auf die besondere Bedeutungund das regelmäßig gesteigerte öffentliche Interesse an derartigen Vorwürfen unzureichend.

Lösung: Es sollen die bestehenden Regelungen zur Dienstaufsicht sowie zum Selbsteintrittsrecht der obersten Dienstbehörde reformiert werden. Das sächsische Justizministerium soll als oberste Dienstbehörde jedenfalls in Fällen, in denen es um Verstöße gegen die Verfassungstreuepflicht geht, unmittelbar tätig werden dürfen. Durch die gesetzliche Regelung eines dienstrechtlichen Selbsteintritts des Justizministeriums sollen Maßnahmen gegen Extremistinnen und Extremisten im Staatsdienst effektiver und einheitlich ausgestaltet werden.

zurück zum Seitenanfang