Entstehung und Geschichte
Das Ausbildungszentrum in Niederbobritzsch entstand in den 1990er Jahren als zentrale Aus- und Fortbildungseinrichtung, ursprünglich als Finanzschule für die Finanz- und Steuerverwaltung des Freistaates Sachsen. Ziel war es, eine moderne Bildungsstätte für praxisnahe Ausbildung auf einem hohen Niveau zu schaffen, die funktionale Anforderungen mit zeitgemäßer Architektur und ökologischer Verantwortung verbindet.
Am 27. Februar 1992 wurde der offizielle Bauantrag gestellt. Bereits wenige Wochen später, am 18. Mai 1992, lobte das Staatshochbauamt Chemnitz im Auftrag des Sächsischen Staatsministeriums der Finanzen einen Architektenwettbewerb aus. Teilnahmeberechtigt waren in Sachsen ansässige Architekturbüros, eingetragen in die Architektenkammer. Der Wettbewerb stieß auf großes Interesse: Insgesamt 26 Beiträge wurden eingereicht. Am 16. September 1992 trat das Preisgericht zusammen und entschied sich für den Entwurf des Architekturbüros Hüther, Lang und Hildebrandt aus Ludwigsburg in Zusammenarbeit mit der Bauplanung Sachsen GmbH.
Mit dem Planungsauftrag, der im Januar 1993 vergeben wurde, begann die Konkretisierung des Entwurfs. Am 6. September 1993 wurde die Haushaltsunterlage Bau (HU-Bau) erstellt, die bereits zehn Tage später genehmigt wurde. Am 7. Oktober 1993 folgte die Erteilung des Bauauftrags. Noch im selben Jahr, am 22. November 1993, erfolgte der symbolische erste Spatenstich. Am 13. Dezember wurde die HU-Bau formal genehmigt.
Der Rohbau begann am 11. April 1994, kurz darauf wurde am 28. April 1994 der Grundstein gelegt. Im April 1995 konnte das Richtfest gefeiert werden. Nach rund drei Jahren Bauzeit wurde der Gebäudekomplex am 30. Juli 1996 an die ersten Nutzer übergeben. Der Unterrichtsbetrieb der Sächsischen Verwaltungsschule begann am 2. September 1996, die feierliche Einweihung des Bildungszentrums fand am 21. November 1996 statt.
Hier bildet der Freistaat Sachsen bald Mitarbeiter aus, die in verschiedenen Behörden wichtige Aufgaben erfüllen. (...) Architektur, Kunst, Technik und Ökologie setzen in Niederbobritzsch die Akzente, die für eine moderne Verwaltung richtungsweisend sind.
Prof. Dr. Georg Milbradt, Sächsischer Staatsminister der Finanzen (1993)
Standortwahl und Lage
Die Entscheidung für Niederbobritzsch als Standort fiel aus mehreren Gründen: Die Gemeinde liegt zentral im Landkreis Mittelsachsen - etwa acht Kilometer von der damaligen Kreisstadt Freiberg entfernt - und befindet sich nahezu auf halber Strecke zwischen den Großstädten Chemnitz und Dresden. Beide Städte sind über die Bundesautobahn A4 oder die Bundesstraßen B173 und B101 gut erreichbar. Auch der öffentliche Nahverkehr ist mit einer langfristig bestehenden Strecke angebunden - der örtliche Bahnhof liegt nur wenige Schritte vom Gelände entfernt.
Niederbobritzsch war ein typisches Waldhufendorf mit weitläufiger Flur, sanftem Hügelprofil und der namensgebenden Bobritzsch, die sich in zahlreichen Windungen durch den Ort zog. Das Ortsbild war durch zweigeschossige Gebäude mit traditionellen Ziegel- oder Schindeldächern geprägt; mehrere Gehöfte und Brücken standen unter Denkmalschutz. Die Gemeinde strebte zum Zeitpunkt des Baus eine behutsame Entwicklung an: Erweiterungen sollten nur in Form von Einfamilienhäusern oder kleinteiligem Gewerbe erfolgen. Im Westen waren neue Wohngebäude entstanden, im Osten wurde der Ortskern durch das Bildungszentrum ergänzt.
Das sechs Hektar große Grundstück lag in Hanglage zwischen zwei Verbindungsstraßen und nur wenige Schritte vom Bahnhof entfernt. Der Ortskern war fußläufig gut erreichbar. Eine bestehende Rad- und Fußwegverbindung, die vom Bahnhof über den Sportplatz zur Ortsmitte führte, wurde als Tangente am Gelände vorbeigeführt, um den Schulbetrieb nicht zu stören. Das Bildungszentrum wurde mit Rücksicht auf diese Wegebeziehungen und die landschaftliche Struktur am oberen Bereich eines Südwest-Hangs errichtet.
Kreativitätssuche mit Wettbewerb
Am 18. Mai 1992 wurde ein Architektenwettbewerb ausgelobt, organisiert vom Staatshochbauamt Chemnitz, an welchem sich alle freischaffenden, angestellten und beamteten Architekten beteiligen konnten, die zu diesem Zeitpunkt in der Sächsischen Architektenkammer eingetragen und in Sachsen ansässig waren. Die ebenso reizvolle wie anspruchsvolle Aufgabe spornte Architekten und Arbeitsgemeinschaften von Architekten an, ihre Vorschläge und Modelle einzureichen. Von den 26 eingereichten Entwürfen wurde das Konzept der Bauplanung Sachsen GmbH, Architekturbüro Dr. Körner aus Dresden und des Architektenbüros Hüther, Lang und Hildebrandt aus Ludwigsburg ausgewählt. Der Entwurf überzeugte durch eine gelungene Verbindung aus Funktionalität, landschaftlicher Einbindung und architektonischer Qualität.
Die Gesamtanlage orientiert sich entlang einer inneren "Schulstraße", die zentrale Funktionsbereiche wie Unterrichts-, Verwaltungs- und Speiseräume miteinander verbindet. Im südlichen Bereich öffnen sich Schule und Internate zu einem großzügigen Freiraum mit parkähnlichem Charakter. Drei Internatsgebäude sind in Form von Dreiseitenhöfen angelegt, wodurch ein Bezug zur traditionellen Bauweise der Region hergestellt wird. Alle Baukörper sind auf die Topografie abgestimmt und fügen sich harmonisch in das Gelände ein. Die Erschließung erfolgt dezentral, was eine ruhige, funktionale Nutzung ermöglicht.
Erläuterungsbericht zum 1. Preis
"Auf kürzestem Weg wird die Rad-Fußweg-Verbindung vom Ortszentrum Niederbobritzsch über Rathaus, Kirchplatz entlang des bestehenden Sportplatzes zum Bahnhof geführt. Die Lage des Bildungszentrums mit seinem differenzierten Baukörper wertet diese wichtige städtebauliche Achse auf. ln Niederbobritzsch Bekanntes wird ohne formale Anbiederung aufgenommen: Maßvolle Höhenentwicklung (2 - 3 Geschosse), maßstäbliche Baukörper mit gestalteten Dachlandschaften, die gewählte Baustruktur (wie das Dorf entlang der Bobritzsch) lehnt sich an bestehende Funktionen an und bildet mit neuen Gebäuden im Bahnhofsbereich und entlang der Allee das Rückgrat des östlichen Teils der Ost-West-Achse der Gemeinde, Topographie und Landschaft im Suden bleiben schonend erhalten, ein parkartiger freier Ortsrand entsteht.
Alle Bereiche der Schule und die Wohnanlage des lnternats (Thema: Dreiseitenhöfe) öffnen sich zu diesem zusammenhängenden südlichen Freiraum. Durch entsprechendes Abrücken vom Sportplatz und der neuen Allee entsteht der großzügige Eingangsbereich. Allee und Sportplatz werden räumlich einbezogen - der wichtige Sichtkontakt zu Kirche und Ortszentrum ist gewährleistet. Die einzelnen Funktionsbereiche sind räumlich ablesbar und werden durch reizvolle Wege innen und außen verbunden: - der Unterrichtstrakt, die Verwaltungsspange, der Speisesaal als Herzstück der Gesamtanlage - zentral an der Eingangshalle gelegen.
Offene Hallen "liegen" an der internen "Schulstraße", die im Westen den zweiten Bauabschnitt der Sporthalle und Aula erschließt, Selbstversorgerküche und Wirtschaftsteil sind dem Speisesaal erdgeschossig angegliedert. Unter Ausnutzung der Hanglage zur Bahnhofstraße erfolgt von dieser die Ver- und Entsorgung über das Untergeschoss. Der zum Eingangsplatz orientierten Cafeteria sind die fünf Partyräume (davon zwei im Untergeschoss als Disko) und die Kegelbahn zugeordnet. Dies kommt Pächterinteressen entgegen. Die drei "Dreiseitenhöfe" verbindet die innere "Wohnstraße". Sämtliche Hoffreiräume orientieren sich zum südlich gelegenen Park. Parkplätze liegen allen Bereichen zugeordnet und können vielfältig, auch extern wechselseitig genutzt werden. Die periphere Erschließung gewährleistet Störfreiheit für alle Bereiche. Der einfache konstruktive Aufbau ist wirtschaftlich, Sichtmauerwerk, farbige Paneele, Glas und Stahl prägen den heiteren Charakter des Bildungszentrums."
Kunst am Bau
Ein besonderes Merkmal des Standorts ist die gezielte Integration von Kunst im öffentlichen Raum. Sämtliche Kunstwerke stammen von sächsischen Künstlerinnen und Künstlern. Zu den zentralen Arbeiten zählen eine Baumplastik von Forbrig und Hartmann im Eingangsbereich, ein Holzrelief von Klaus Süß im Foyer – inspiriert von einem Gedicht Pablo Nerudas – sowie eine Sitzlandschaft von Christian Lang im Lichthof. Weitere Werke wie die Steinplastik „Sitzende“ von Fritz Böhm, eine Stele von Jens Herrmann und ein Ikosaeder von Tobias Stengel befinden sich auf dem Gelände und in den Innenhöfen der Gästehäuser.
Erweiterung und institutioneller Wandel
Nach der Eröffnung im Jahr 1996 entwickelte sich das Bildungszentrum kontinuierlich weiter. Bereits 2001 begannen die Bauarbeiten für ein weiteres Unterrichtsgebäude (Haus 2), das im März 2003 offiziell eingeweiht wurde. Es beherbergt neben zusätzlichen Seminarräumen eine Mehrzweckhalle, die vielfältig nutzbar ist: für Unterrichtseinheiten wie Eingriffs- und Sicherungstechniken, für sportliche Angebote wie Basketball, Volleyball, Fußball, Badminton oder Aerobic sowie für feierliche Veranstaltungen wie Zeugnisübergaben. Ergänzt wird die Halle durch einen separaten Fitnessraum.
Zum 1. Januar 2003 entstand durch die Zusammenlegung mehrerer staatlicher Bildungseinrichtungen das heutige Ausbildungszentrum Bobritzsch. Eingebunden wurden unter anderem
- die Allgemeine Verwaltungsschule (Abteilung IV),
- das Bildungszentrum des Sozialministeriums,
- die Landesfinanzschule Sachsen,
- die Justizschule und Justizvollzugsschule sowie
- die Zentralverwaltung des Bildungszentrums Niederbobritzsch.
Mit diesem Zusammenschluss wurde der Standort zur zentralen Aus- und Fortbildungseinrichtung für den öffentlichen Dienst im Freistaat Sachsen.
Im Jahr 2019 reagierte das Ausbildungszentrum auf den stark gestiegenen Bedarf an Räumlichkeiten. Innerhalb von nur sechs Monaten entstanden drei Modulbauten (Haus 6-8) mit zusätzlichen Seminar- und EDV-Räumen, Gruppenarbeitsbereichen sowie Büroräumen. Da die Kapazitäten auf dem Gelände nicht ausreichten, wurden zudem 49 Wohnungen in Freiberg und Chemnitz angemietet, um den Unterbringungsbedarf temporär abzudecken.
Parallel wurde auch die Infrastruktur kontinuierlich erweitert. Heute verfügt das Zentrum über 44 Ausbildungs- und Arbeitsräume mit rund 750 Plätzen, darunter 26 Seminarräume, acht EDV-Räume, drei Lernlabore, Gruppen- und Besprechungsräume sowie eine Bibliothek. Zwei Gästehäuser mit insgesamt 272 Einzelzimmern stehen für die Unterbringung zur Verfügung; jeweils zwei Zimmer teilen sich ein Bad. Auch barrierefreie Unterkünfte sowie zwei Eltern-Kind-Wohnungen gehören zum Angebot. Gemeinschaftsküchen, Freizeiträume, ein Grillplatz und TV-Zimmer ergänzen das wohnliche Umfeld.
Im Jahr 2006 wurde das zehnjährige Bestehen gefeiert, 2023 beging das Ausbildungszentrum Bobritzsch sein zwanzigjähriges Jubiläum in seiner heutigen Struktur mit einer großen Feierlichkeit vor Ort.