2018
Anlässlich der geplanten Fusion der Gemeinde Bad Schlema mit der Stadt Aue zur neuen Großen Kreisstadt Aue-Bad Schlema haben die Vertreter des Bürgerbegehrens der Bürgerinitiative »Wir sind Bad Schlema« am 17.12.2018 beim Verwaltungsgericht Chemnitz einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt.
Zielsetzung war, durch das Gericht vorläufig festzustellen zu lassen, dass das Bürgerbegehren der Bürgerinitiative »Wir sind Bad Schlema« vom 29.09.2018 mit dem Inhalt »Der vom Gemeinderat von Bad Schlema in öffentlicher Sitzung am 03.07.2018 gefasste Beschluss 50/2018 GR zur Fusions-Vereinbarung der Gemeinde Bad Schlema mit der Stadt Aue zur neuen Großen Kreisstadt Aue-Bad Schlema wird aufgehoben« zulässig ist und der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 VwGO durch das Gericht untersagen zu lassen, den durch den Gemeinderatsbeschluss vom 31.05.2016 20/2016 GR i. V. m. dem Gemeinderatsbeschluss vom 03.07.2018 50/18 GR für den 01.01.2019 geplanten Zusammenschluss mit der Großen Kreisstadt Aue zu vollziehen.
Mit dem gestern Abend gefassten Beschluss hat das Verwaltungsgericht die Anträge abgelehnt.
Der auf eine vorläufige Feststellung der Zulässigkeit eines Bürgerbegehrens gerichtete Antrag kann nur Erfolg haben, wenn seine Zulässigkeit bereits im einstweiligen Rechtsschutzverfahren mit solcher Wahrscheinlichkeit bejaht werden kann, dass eine gegenteilige Entscheidung im Hauptsacheverfahren praktisch ausgeschlossen erscheint und der mit dem Hauptsacheverfahren verbundene Zeitablauf voraussichtlich eine Erledigung des Bürgerbegehrens zur Folge hätte.
Das Bürgerbegehren ist jedoch nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes getroffenen Auffassung des Gerichts unzulässig, weil der damit angegriffene Beschluss des Stadtrats vom 03.07.2018 durch die Unterzeichnung und damit den Abschluss der Fusions-Vereinbarung am 13.07.2018 bereits vollzogen ist und somit das Ziel des Bürgerentscheids – die Aufhebung des Stadtratsbeschlusses – nicht mehr verwirklicht werden kann. Darüber hinaus hat das Sächsische Staatsministerium mit Schreiben vom 08.10.2018 das erforderliche Einvernehmen erteilt, worauf das Landratsamt Erzgebirgskreis mit Bescheid vom 17.10.2018 die Vereinbarung über die Vereinigung der Großen Kreisstadt Aue und der Gemeinde Bad Schlema vom 13.07.2018 rechtsaufsichtlich mit Wirkung zum 01.01.2019 genehmigt hat, was im Sächsischen Amtsblatt Nr. 46 v. 15.11.2018, S. 1357, bekannt gemacht worden ist. Sollte das Bürgerbegehren für zulässig erklärt werden und der anschließende Bürgerentscheid erfolgreich sein, würde die Antragsgegnerin zu einem vertragswidrigen Verhalten verpflichtet; dies wäre mit der Rechtsordnung nicht vereinbar. Grundsätzlich gilt, dass Verträge einzuhalten sind, denn das Prinzip der Vertragstreue stellt einen der elementarsten Rechtsgrundsätze überhaupt dar. Die Bindungswirkung von Verträgen schützt das Vertrauen der Parteien auf die durch das Rechtsgeschäft geschaffene Rechtsgrundlage. Die Zulässigkeit von Bürgerentscheiden trotz anderslautender, bereits zeitlich früher eingegangener vertraglicher Verpflichtungen würde das Vertrauen in die Bindungswirkung von Verträgen mit kommunalen Vertragspartnern nachhaltig erschüttern und damit die Handlungsfähigkeit der kommunalen Organe erheblich beeinträchtigen. Allerdings kann ein Bürgerbegehren, das sich gegen bestehende Verträge der Gemeinde richtet, zulässig sein, wenn rechtlich eine Loslösung vom Vertrag möglich ist. Die Antragsteller vermochten jedoch nach dem oben dargestellten Maßstab nicht glaubhaft zu machen, dass eine solche Loslösung in Betracht kommt.
Das Gericht vermochte sich der Auffassung der Antragsteller, die Vereinbarung sei kommunalrechtlicher Natur und damit dem öffentlichen Staatsrecht zuzuordnen, wobei einer Verletzung hinsichtlich des Zeitpunktes der Umsetzung eines kommunalrechtlichen Vertrages kein besonderer Schutz einzuräumen sei, nicht anzuschließen, da diese mit den hier einschlägigen gesetzlichen Vorschriften der §§ 54 ff. VwVfG nicht vereinbar ist.
Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig.
(Verwaltungsgericht Chemnitz, Beschluss vom 27.12.2018 – 1 L 786/18 –)
Mark Artus
- Pressesprecher -
Der als weiterer Tatverdächtiger zu dem Tötungsdelikt in Chemnitz im Wege der Öffentlichkeitsfahndung gesuchte (nach eigenen Angaben) irakische Staatsbürger hat am 08.02.2017 beim Verwaltungsgericht Chemnitz Klage gegen einen Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 06.01.2017 erhoben. Mit dem angefochtenen Bescheid hat das Bundesamt einen (weiteren) Asylantrag abgelehnt und die Abschiebung in den Irak angedroht. Über diese Klage ist noch nicht entschieden. Angesichts des Untertauchens des Antragstellers ist jedoch mit einem zeitnahen Abschluss des Verfahrens bei Gericht zu rechnen.
Dem Verfahren voraus gegangen war ein erstes Asylverfahren, das gemäß den vorliegenden Informationen nach Rücknahme des Asylantrages beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge seit dem 31.05.2016 unanfechtbar abgeschlossen war. Am 22.07.2016 stellte der Asylantragsteller mit Schreiben seines Vormunds vom 19.07.2016 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge einen Antrag auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens (Folgeantrag). Stellt ein Ausländer, wie im vorliegenden Fall, nach der Rücknahme oder unanfechtbaren Ablehnung eines früheren Asylantrages erneut einen Asylantrag, so ist gemäß § 71 Abs. 1 Satz 1 Asylgesetz (AsylG) ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen, wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) vorliegen. Gemäß § 51 Abs. 1 Ziffern 1 bis 3 VwVfG hat die Behörde auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zu Gunsten des Betroffenen geändert hat oder neue Beweismittel vorliegen, die eine für den Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden, oder Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 ZPO gegeben sind. Der Antrag ist gemäß § 51 Abs. 2 VwVfG nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen. Gemäß § 51 Abs. 3 VwVfG muss der Antrag binnen drei Monaten nachdem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat, gestellt werden. Sollten die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG nicht vorliegen, wäre der Asylfolgeantrag als unzulässig abzulehnen. In diesem Fall bedürfte es für den Vollzug der Abschiebung nach § 71 Abs. 5 Satz 1 AsylG grundsätzlich keiner erneuten Fristsetzung und keiner erneuten Abschiebeandrohung (beziehungsweise Abschiebeanordnung). In diesem Fall hätte eine Klage gegen den Bescheid über die Unzulässigkeit des Asylfolgeantrages für den Vollzug der Abschiebung keine aufschiebende Wirkung, da die Abschiebung sich auf die Abschiebeandrohung (beziehungsweise Abschiebeanordnung) aus dem vorangegangenen Asylverfahren stützen würde.
Das Bundesamt ist vorliegend jedoch augenscheinlich davon ausgegangen, dass der Asylantragsteller eine gegenüber dem ersten Verfahren neue Sachlage vorgetragen beziehungsweise neue Beweismittel vorgelegt hat, welche er im ersten Verfahren noch nicht vorbringen beziehungsweise vorlegen konnte. Entsprechend hat das Bundesamt den Asylfolgeantrag auch nicht als unzulässig abgelehnt, sondern in der Sache selbst eine Entscheidung zur Asylberechtigung getroffen und eine neue Abschiebeandrohung erlassen. Die Klage gegen diese Entscheidung hat aufschiebende Wirkung.
Mark Artus
- Pressesprecher -
Mit Datum vom 03.09.2018 hat das Verwaltungsgericht Chemnitz einen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 VwGO gegen die sofortige Vollziehung des Bescheides der Stadt Chemnitz vom 03.09.2018 zum Verbot einer Gegenkundgebung zur Veranstaltung »Wir sind mehr« am 03.09.2018 in Chemnitz abgelehnt.
Die am gestrigen Tage durchgeführte Veranstaltung mit dem Titel »Wir sind mehr« wurde mit etwa 50.000 erwarteten Teilnehmern bereits am 27.08.2018 bei der Stadt Chemnitz für den 03.09.2018 in der Zeit von 12:00 bis 24:00 Uhr angemeldet. Am Freitag den 31.08.2018 wurde bei der Stadt Chemnitz ebenfalls für den 03.09.2018 für den Zeitraum 16:00 bis 22:00 Uhr eine Gegenkundgebung unter dem Motto »Gegen antideutsche Kommerzhetze« mit 50 erwarteten Teilnehmern angemeldet. Die Gegenkundgebung sollte jedenfalls auf Teilen der bereits für die Veranstaltung »Wir sind mehr« vorgesehenen Veranstaltungsfläche durchgeführt werden.
Mit Bescheid vom Montag den 03.09.2018 hat die Stadt Chemnitz die Durchführung der für den 03.09.2018 angemeldeten Gegenkundgebung verboten und die sofortige Vollziehung des Verbotes angeordnet.
Gegen diese Anordnung der sofortigen Vollziehung des Bescheides vom 03.09.2018 richtete sich der am 03.09.2018 per Fax um 15:38 Uhr bei Gericht eingegangene Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz. Die zu dem Antrag gehörenden Anlagen wurden einschließlich des angegriffenen Bescheides der Stadt Chemnitz um 15:50 Uhr per Fax bei Gericht eingereicht. Der Antragsteller begehrte die aufschiebende Wirkung seines Widerspruches vom 03.09.2018 gegen den Bescheid der Stadt Chemnitz vom 03.09.2018 wiederherzustellen. Dieses hätte aus rechtlicher Sicht zur Folge gehabt, dass die Gegenkundgebung wie angemeldet hätte durchgeführt werden können.
Nachdem das Verwaltungsgericht der Stadt Chemnitz die Gelegenheit gegebenen hatte, bis 17:00 Uhr zu dem Antrag Stellung zu nehmen, wurde der Antrag auf Gewährung von einstweiligem Rechtsschutz mit Beschluss des Gerichts vom 03.09.2018 abgelehnt.
Die im Rahmen des § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO von der zuständigen Kammer wegen der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit vorzunehmende Interessenabwägung hat ergeben, dass vorliegend das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Versammlungsverbots das Interesse des Antragstellers, von der sofort vollziehbaren Verbotsverfügung verschont zu bleiben, überwiegt.
Gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 des Sächsischen Versammlungsgesetzes (SächsVersG) kann die zuständige Behörde die Versammlung oder den Aufzug verbieten, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung unmittelbar gefährdet ist.
Zum Zeitpunkt der Anmeldung durch den Antragsteller lag bereits die zuvor eingegangene Anmeldung einer für den 03.09.2018 vorgesehenen Veranstaltung mit dem Titel »Wir sind mehr« und etwa 50.000 erwarteten Teilnehmern vor. Vor diesem Hintergrund kam die Antragsgegnerin zu der Einschätzung, dass aufgrund der stadtweit eingerichteten Sonderparkplätze und des damit verbundenen Shuttle-Verkehrs sowie aufgrund des allgemein gedrängteren Verkehrsaufkommens keine ausreichenden öffentlichen Veranstaltungsflächen für die Gewährleistung der Durchführung einer Versammlung zur Verfügung stünden.
Zu berücksichtigen war im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung, dass es sich auch bei der Veranstaltung »Wir sind mehr«, in deren Mittelpunkt kostenfreie Auftritte verschiedener Bands und Künstler standen, um eine dem Schutzbereich des Art. 8 GG unterfallende Versammlung handelte. Denn Anlass der Veranstaltung war der gewaltsame Tod eines jungen Mannes in Chemnitz vom 26.08.2018, in dessen Folge es in Chemnitz zu Ausschreitungen, u.a. zwischen linken und rechten Gruppierungen gekommen war. Das Konzert sollte ein Zeichen gegen die Stigmatisierung der Chemnitzer Bevölkerung als dem rechten Spektrum zugehörig setzen. Hierbei handelte es sich zweifelsohne ebenfalls um ein politisches Statement. In diesem Zusammenhang hatten sich die Künstler zu kostenfreien Auftritten bereit erklärt. Nach dem Gesamtgepräge der Veranstaltung stand nach Auffassung der zuständigen Kammer die Meinungskundgabe eindeutig im Vordergrund.
Die Veranstaltung mit dem Titel »Wir sind mehr« wurde bereits am 27.08.2018 angemeldet und damit vor der Versammlung des Antragstellers. Sie hatte folglich unter dem Prioritätsgesichtspunkt Vorrang. Beide Veranstaltungen standen sich dabei wegen der Einordnung der Veranstaltung »Wir sind mehr« ebenfalls als Versammlung auf Augenhöhe gegenüber, ohne dass der Versammlung des Antragstellers wegen der beabsichtigten politischen Meinungskundgabe unter dem Blickwinkel des Art. 8 GG der Vorzug zu geben gewesen wäre.
Damit war der vom Antragsteller für seine Versammlung geplante Kundgebungsort bereits besetzt. Eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid der Antragsgegnerin konnte angesichts der laufenden Veranstaltung »Wir sind mehr« faktisch nicht zur Verwirklichung des Grundrechts aus Art. 8 GG beitragen. Hierzu hätte es gesonderter Anordnungen gegenüber dem Anmelder der anderen Versammlung bedurft, welche nicht Gegenstand des Verfahrens waren.
Etwaige Ausweichflächen innerhalb des Stadtgebietes hatte weder der Antragsteller vorgetragen noch sind solche – auch nach nochmaliger Nachfrage bei der Antragsgegnerin – ersichtlich. Zwar ließ der Antragsteller in seiner Antragsbegründung vortragen, dass z.B. eine Verlagerung des Kundgebungsortes außerhalb des angesichts der Nutzungskonflikte gefährdeten Innenstadtbereichs in Betracht gekommen wäre. Andererseits beruft er sich nur wenige Sätze weiter auf sein Recht, in Hör- und Sichtweite zur Veranstaltung »Wir sind mehr« protestieren zu dürfen. Beides ist nicht miteinander vereinbar. Die Antragsgegnerin teilte auf Nachfrage der Kammer ergänzend mit, es könne kein Parkplatz als Ausweichort zur Verfügung gestellt werden, da diese als Park & Ride-Plätze und für das Abstellen der Busse genutzt würden. Über den Goetheplatz fahre die Straßenbahn und auch der Bahnhofsvorplatz sei nicht geeignet, da eine Vielzahl von Veranstaltungsteilnehmern mit dem Zug anreise. Die Polizei habe Alternativstandorte dergestalt geprüft, dass in die Prüfung einbezogen wurden Parkflächen für die Durchführung der Veranstaltung selbst, Flächen in unmittelbaren Schnittachse zur Versammlung sowie Flächen im Bereich der B 169, die aber wegen Baumaßnahmen nicht nutzbar gewesen seien. Die Parkflächen seien allesamt durch den Anreiseverkehr zum Konzert belegt. Die Flächen in der Schnittachse dienten der Umsetzung des Shuttle- und Transportkonzepts und stünden folglich auch nicht zur Verfügung. Zudem erwarte die Polizei für die Versammlung des Antragstellers statt der angemeldeten 50 Teilnehmer ca. 1.000 Teilnehmer. Für eine solche Teilnehmerzahl sei im Stadtgebiet aber keine ausreichende Fläche vorhanden.
Die Kammer konnte diese, an Sachgründen orientierten Erwägungen aufgrund der Kürze der Zeit nicht widerlegen. Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig.
(Verwaltungsgericht Chemnitz, Beschluss vom 03.09.2018 – 2 L 517/18 –)
Mark Artus
- Pressesprecher -
Der Antragsteller ist tunesischer Staatsangehöriger. Er hatte bereits zuvor in der Bundesrepublik Deutschland einen Asylantrag gestellt, welcher zwischenzeitlich mit Bescheid vom 14.03.2016 unanfechtbar abgelehnt wurde. Dem Antragsteller wurde die Abschiebung nach Tunesien angedroht. Eine gegen die Ablehnung des Asylantrages gerichtete Klage wurde vom Kläger am 03.07.2017 zurückgenommen.
Mit Datum vom 24.05.2018 stellte der Antragsteller einen Antrag auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens (Folgeantrag). Mit dem Antrag ist das Wiederaufgreifensverfahren zur Feststellung von Abschiebungsverboten verbunden. Der Antrag wurde von der Antragsgegnerin mit Bescheid vom 05.06.2018 abgelehnt. Hiergegen richtet sich die mit einem Antrag auf Gewährung von einstweiligem Rechtsschutz verbundene Klage des Antragstellers vom 14.06.2018.
Mit Beschluss des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom 27.06.2018 wurde die Antragsgegnerin im Wege einstweiliger Anordnung verpflichtet, der Ausländerbehörde mitzuteilen, dass eine Abschiebung des Antragstellers nach Tunesien bis zum rechtskräftigen Abschluss des gerichtlich noch anhängigen Asylfolgeverfahrens nicht durchgeführt werden darf. Im Hinblick auf seine sexuelle Orientierung bestehe für den Antragsteller als tunesischen Staatsbürger im Falle der Rückkehr nach Tunesien die Gefahr einer Verfolgung. Das Gericht musste für das Eilverfahren im damaligen Entscheidungszeitpunkt und nach dem damaligen Informationsstand unterstellen, dass der nach eigener Darstellung homosexuelle Antragsteller in Tunesien einem intensiven Verfolgungsdruck ausgesetzt ist. Aus diesem Grunde sollte eine Abschiebung bis zur endgültigen gerichtlichen Entscheidung im Hauptsacheverfahren zunächst nicht erfolgen.
Der Antragsgegnerin war zuvor bereits mit der Eingangsverfügung vom 18.06.2018 zum Eilantrag des Antragstellers gegen den Vollzug seiner bevorstehender Rückführung nach Tunesien mitgeteilt worden, dass das Gericht davon ausgeht, dass seitens der Antragsgegnerin vorläufig von Vollstreckungsmaßnahmen abgesehen wird. Da im Nachgang keine anderslautende Erklärung seitens der Antragsgegnerin (damals vertreten durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) einging, war eine konkrete Stillhalteverpflichtung im Beschlusswege durch das Gericht zunächst nicht veranlasst.
Nach der Mitteilung des Antragsbevollmächtigten mit Fax vom 27.06.2018, dass gleichwohl die Rückführung des Antragstellers um 14:00 Uhr gleichen Tages beabsichtigt sei, teilte das Verwaltungsgericht Chemnitz um 13:30 Uhr unmittelbar an den die Verbringung des Antragstellers am Flughafen Leipzig durchführenden Beamten der Bundespolizei mit, dass von der Durchführung der Abschiebung abzusehen ist. Der Beamte der Bundespolizei am Flughafen Leipzig sicherte zu, dass eine Verbringung nach Tunesien nicht stattfinden werde und der für 14:00 Uhr vorgesehenen Flug ohne den Antragsteller stattfinden würde. Unmittelbar nach dem Telefongespräch hat der bei Gericht mit dem Verfahren befasste Berichterstatter den Kammervorsitzenden über das Ergebnis und den Inhalt dieses Telefongesprächs informiert und eine entsprechende Aktennotiz gefertigt. Hierüber wurde sodann auch der Antragstellerbevollmächtigte zunächst telefonisch und um 14:06 Uhr per Fax sowie die Antragsgegnerin, vertreten durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, um 14:16 Uhr per Fax informiert.
Gleichwohl wurde unterdessen die Verbringung des Antragstellers auf dem Luftweg nach Tunesien von der Bundespolizei am Flughafen Leipzig durchgeführt. Die Antragsgegnerin (nunmehr vertreten durch die Bundespolizeidirektion München als der die Rückführung im Sinne der Vollstreckung einer Zurückweisung des Antragstellers nach § 15 AufenthG veranlassenden Bundespolizeiinspektion Rosenheim vorgesetzten Behörde), war der Auffassung, es gehe im vorliegenden Fall nicht um eine Abschiebung im Sinne des Aufenthaltsgesetzes, sondern um die Vollstreckung einer Zurückweisung des unerlaubt am 10.05.2018 beim Grenzübertritt von Österreich kommenden Antragstellers, wobei insofern von einer rechtlichen Nichteinreise in das Bundesgebiet im Sinne von § 13 Abs. 2 Satz 2 AufenthG auszugehen sei, weil der Antragsteller nach dem Aufgreifen am 10.05.2018 unmittelbar in Abschiebehaft in die JVA Eichstätt verbracht und von dort aus zurückgeführt worden sei.
Mit dem jetzt vorliegenden Eilverfahren, am 11.07.2018 beim Verwaltungsgericht Chemnitz eingegangen, wurde beantragt, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den am 27.06.2018 aus dem Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland nach Tunesien verbrachten Antragsteller wegen einer drohenden Verfolgungsgefahr aufgrund seiner Homosexualität aus Tunesien im Wege der Folgenbeseitigung im Zusammenhang mit dem bei Gericht in der Hauptsache noch anhängigen Asylfolgeantrag zurückzuholen.
Mit Beschluss vom 19.07.2018 hat die 4. Kammer des Verwaltungsgerichts Chemnitz diesen Eilantrag abgelehnt.
Die Antragsgegnerin hat den Antragsteller zwar nach Auffassung des Gerichts zu Unrecht in sein Heimatland Tunesien zurückgeführt. Dem Antragsteller ist nach hiesiger Überzeugung in Anbetracht der zwischenzeitlich neu bekannt gewordenen Umstände jedoch zumutbar, sein Hauptsacheverfahren unter Beachtung seiner Verfahrensrechte von Tunesien aus weiter zu führen.
Mit Schreiben vom 17.07.2018 übersandte die Antragsgegnerin beziehungsweise die Bundespolizeiinspektion Rosenheim ein Vernehmungsprotokoll des Antragstellers vom 11.05.2018. Gemäß diesem Protokoll erklärte der Antragsteller in seiner Vernehmung u.a.: »Ich habe im April 2017 in Aue einen Antrag gestellt, dass ich, wenn ich finanzielle Starthilfe bekomme, freiwillig nach Tunesien ausreise. Diesen Antrag habe ich dann im Juni 2017 zurückgezogen«. Auf die Frage, was der Antragsteller machen würde, wenn man ihn ohne die gewünschte Starthilfe nach Tunesien zurückschicken würde, teilte der Kläger demnach mit: »Ohne Starthilfe würde ich Deutschland nicht verlassen, sondern würde wieder meinen Anwalt einschalten. Auch wenn ich von Deutschland eine Kleinigkeit für meinen Neustart in Tunesien bekommen würde, würde mir dies nicht reichen, ich benötige auf jeden Fall mehr, um in meiner Heimat Fuß fassen zu können. Ich kann nicht nach Tunesien zurück, weil ich dort keine Perspektiven für meine Zukunft habe«.
Dieses – nunmehr dem Gericht bekannt gewordene – Vorbringen steht nach Auffassung des Gerichts im Widerspruch zum geltend gemachten Verfolgungsdruck in Tunesien aufgrund der vorgetragenen Homosexualität. Es muss sich an dieser Stelle der Eindruck aufdrängen, dass für den Antragsteller eine mögliche freiwillige Rückkehr nach Tunesien mehr von der Frage des Umfanges der erwarteten finanziellen Starthilfe, als denn von der Möglichkeit, seine vorgetragene sexuelle Orientierung in Tunesien ohne Angst vor Verfolgung offen leben zu können, abhängt.
Im Übrigen hätte es dem Antragsteller oblegen, sich gegen die Zurückweisungsentscheidung der Bundespolizei beim zuständigen Verwaltungsgericht München zu wehren.
(VG Chemnitz, Beschluss vom 19.07.2018 – 4 L 394/18.A –)
Mark Artus
- Pressesprecher -
Im vorliegenden Verfahren wandte sich der Kläger gegen einen Leistungsbescheid der Stadt Plauen, mit dem Kosten für einen Feuerwehreinsatz von ihm erstattet verlangt wurden.
Am 05.08.2014 kam es um 20:26 Uhr an einer Tankstelle in Plauen zu einem Feuerwehreinsatz. Die Feuerwehr wurde alarmiert, da nach Abschluss des Tankvorganges Gas aus dem Pkw des Klägers ausströmte. Der Pkw musste von der Gas-Tanksäule getrennt werden. Es wurde durch die Feuerwehr die Betankungsanlage über den Not-Aus-Schalter stillgelegt, eine großräumige Absperrung eingerichtet und eine Gaskonzentrationsmessung vorgenommen. Die Feuerwehrleute und die durch den Kläger hinzugezogenen Mitarbeiter des ADAC trennten den Pkw von der Tanksäule, woraufhin das Gas weiterhin aus dem Fahrzeug entwich. Die Feuerwehr ließ das Gas daraufhin kontrolliert aus dem Pkw austreten. Die Tankstelle blieb bis zum nächsten Tag stillgelegt.
Mit dem hier streitgegenständlichen Leistungsbescheid vom 30.10.2014 forderte die Stadt Plauen Kostenersatz für den Feuerwehreinsatz in Höhe von zuletzt 1.355,22 € auf der Grundlage von § 69 Abs. 2 Nr. 2 SächsBRKG, § 3 Nr. 2 der Satzung der Stadt Plauen zur Regelung des Kostenersatzes für Einsätze der Feuerwehr Plauen (Feuerwehrkostensatzung).
Nachdem der zunächst eingelegte Widerspruch erfolglos blieb, hat der Kläger mit Datum vom 01.06.2015 Klage erhoben.
In der heutigen mündlichen Verhandlung sah das Gericht insbesondere Ermittlungsdefizite auf Seiten der Verwaltungsbehörde.
Ein Fahrzeughalter ist zum Ersatz der durch den Einsatz der Feuerwehr entstandenen Kosten dann verpflichtet, wenn die Gefahr oder der Schaden beim Betrieb des Kraftfahrzeuges entstanden ist (§ 69 Abs. 2 Nr. 2 SächsBRKG). Auf der anderen Seite ist aber auch der Betreiber einer Anlage mit besonderem Gefahrenpotential (wie etwa einer Tankstelle) zum Kostenersatz verpflichtet, wenn der Einsatz der Feuerwehr durch diese Anlage erforderlich geworden ist (§ 69 Abs. 2 Nr. 3 SächsBRKG). Mehrere zum Kostenersatz Verpflichtete haften zwar grundsätzlich als Gesamtschuldner (§ 69 Abs. 4 Satz 1 SächsBRKG), gleichwohl darf die Auswahl der Behörde zwischen mehreren möglichen Kostenschuldnern weder willkürlich noch unbillig sein.
Aus Sicht der zur Entscheidung berufenen Kammer wäre sowohl für die Frage, ob der Schaden tatsächlich bei Betrieb des Fahrzeuges entstanden ist, als auch für die sich gegebenenfalls anschließende Auswahl zwischen mehreren möglichen Kostenschuldnern der Frage näher nachzugehen gewesen, welcher Umstand für den Austritt des Gases ursächlich war und welchem Gefahrenkreis (Pkw oder Tankstelle) dieser zuzuordnen ist.
In der mündlichen Verhandlung haben sich der Kläger und die Stadt Plauen im Vergleichswege auf eine Teilung der Kosten verständigt. Mit diesem Vergleich ist das gerichtliche Verfahren abgeschlossen.
(Aktenzeichen des Verwaltungsgerichts Chemnitz 7 K 810/15)
Mark Artus
- Pressesprecher -