1. Navigation
  2. Inhalt
  3. Herausgeber
Inhalt

Projektbeschreibung

Zielstellung

Leichte bis mittelschwere Straftaten von Jugendlichen und Heranwachsenden können episodenhaft bleiben, aber auch ein Warnsignal für das Abgleiten in die Kriminalität bedeuten. Aufgabe der Jugendstrafrechtspflege ist es, angemessen und orientiert an dem im Jugendgerichtsgesetz (JGG) verankerten Erziehungsgedanken auf diese Straftaten zu reagieren. Nach § 45 Abs. 2 JGG kann die Staatsanwaltschaft von der Verfolgung einer Straftat absehen, wenn eine erzieherische Maßnahme bereits durchgeführt oder eingeleitet ist und sie weder eine Beteiligung des Richters noch die Erhebung der Anklage für erforderlich hält. Solche erzieherischen Maßnahmen können auch außerhalb der Justiz erfolgen.

    Projektaufgabe

    In einem zunächst auf ein Jahr befristeten Modellprojekt in Bautzen, Leipzig und Zwickau wurden 2007 mit Hilfe des Sächsischen Staatsministeriums für Kultus, den Regionalschulämtern, den Staatsanwaltschaften sowie den freien Trägern der Jugendhilfe »Schülergerichte« gebildet und geschult, die im Auftrag der örtlich zuständigen Staatsanwaltschaft mit straffällig gewordenen Jugendlichen und Heranwachsenden auf freiwilliger Basis deren delinquentes Verhalten erörtern und eine angemessene Sanktion im weiteren Sinne festlegen.

    Das Ergebnis dieses Verfahrens wird anschließend durch den sachbearbeitenden Staatsanwalt bei seiner Abschlussentscheidung berücksichtigt. In der Regel wird das Verfahren gemäß § 45 Abs. 2 JGG eingestellt, weil mit der Erfüllung der von dem »Schülergericht« festgelegten Auflage eine erzieherische Maßnahme im Sinne der Norm durchgeführt wurde. Die Schülerrichter haben dabei keine richterlichen Kompetenzen im eigentlichen Sinne. Die Staatsanwaltschaft bleibt Herrin des Verfahrens.

    Ab dem Jahr 2010 sind Schülergerichte sodann auch in Chemnitz und ab 2011 auch in Görlitz eingerichtet worden. Die Betreuung vor Ort obliegt verschiedenen freien Trägern der Jugendhilfe. Seit 2013 werden Schülergerichte noch in Bautzen, Zwickau, Chemnitz und Görlitz durchgeführt.

    Dem Projekt liegen Erfahrungen zu Grunde, wonach Reaktionen durch Altersgenossen jugendliche Straftäter wirkungsvoll beeinflussen können. Bestimmte Deliktsbereiche, wie zum Beispiel Ladendiebstahl, Leistungserschleichung oder Fahren ohne Fahrerlaubnis, sehen jugendliche Straftäter nicht selten als eine "sportliche Leistung" an, mit der sie die Anerkennung von Mitschülern und Freunden gewinnen wollen. Missbilligende Reaktionen durch Gleichaltrige können deshalb eine positive Änderung des Unrechtsbewusstseins bewirken. Zudem finden Gleichaltrige oft leichter Zugang zu jugendlichen Beschuldigten.

    Bei den als Schülerrichtern beteiligten Schülern soll das Projekt positive Lerneffekte auslösen, weil sie die sozialen Verhältnisse und Probleme jugendlicher Straftäter und einen wichtigen Bereich des Jugendstrafrechts aus eigener Anschauung kennenlernen und Verantwortung für andere junge Menschen und für die Durchsetzung der Rechtsordnung übernehmen.

    Potentieller Täterkreis

    Für das Projekt sind Beschuldigte geeignet, bei denen folgende Merkmale zutreffen:

    • Beschuligter ist Jugendlicher oder Heranwachsender im Alter von 14 bis 20 Jahren,
    • Ersttäter, bei denen keine Einstellung nach § 45 Abs. 1 JGG in Betracht kommt,
    • Mehrfachtäter, bei denen eine Einstellung nach § 45 Abs. 2 JGG noch möglich ist,
    • keine Intensivtäter,
    • Beschuldigter ist geständig und der Sachverhalt ist vollständig aufgeklärt,
    • Beschuldigter und seine Erziehungsberechtigten sind mit der Behandlung des Falles im Projekt einverstanden.

      Deliktskatalog

      Folgende Delikte können von einem Schülergericht behandelt werden:

      • Bei einem Schaden bis 125 Euro:

        • Diebstahl, § 242 Strafgesetzbuch (StGB), auch besonders schwerer Fall des Diebstahl, § 243 StGB (in einfach gelagerten Fällen),
        • Unterschlagung, § 246 StGB,
        • Hehlerei, § 259 StGB,
        • Betrug und leichte Fälle der Urkundenfälschung §§ 263, 267 StGB,
      • Fahren ohne Fahrerlaubnis, § 21 Straßenverkehrsgesetz (StVG),
      • Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort bei Fremdschaden bis 250 Euro, § 142 StGB,
      • Missbrauch von Notrufen, § 145 StGB,
      • Vortäuschen einer Straftat, § 145d StGB,
      • Sachbeschädigung, § 303 StGB,
      • Körperverletzung, §§ 223, 224, 229 StGB, mit leichten Folgen,
      • Erwerb und Besitz von Haschisch, Marihuana, Amphetaminen und Ecstasy-Pillen, § 29 Betäubungsmittelgesetz (BtMG), zum Eigenkonsum,
      • leichte Fälle der Nötigung § 240 StGB,
      • Hausfriedensbruch, § 123 StGB,
      • leichte Fälle der Beleidigung, § 185 StGB,
      • Erschleichen von Leistungen, § 265a StGB,
      • Unbefugter Gebrauch eines Fahrzeugs, §248b StGB und
      • Verstöße gegen das PflVG, §§ 1, 6 Pflichtversicherungsgesetz (PflVG).