Eine Justiz für die Menschen
Was wäre Sachsen ohne die vielen engagierten Kolleginnen und Kollegen an den Gerichten, in den Staatsanwaltschaften und Justizvollzugsanstalten? Mit ihrer täglichen Arbeit an den verschiedensten Stellen der Justiz sorgen sie dafür, dass der Rechtsstaat effektiv und handlungsfähig, allem voran aber menschlich ist. Angesichts des doppelten Umbruchs in Digitalisierung und Demografie gilt es, Menschen für die Arbeit in der Justiz zu begeistern.
Der Umbruch steht vor der Tür: In den nächsten Jahren werden besonders viele erfahrene Kolleginnen und Kollegen aus Altersgründen die sächsische Justiz verlassen. Um die entstehende Lücke zu schließen, sind wir an vielen Stellen aktiv. Damit wir im Wettbewerb um besonders qualifizierte Köpfe bestehen können, gestalten wir die Arbeitsbedingungen flexibler.
Pakt für den Rechtsstaat
Mit dem Pakt für den Rechtsstaat, der für die Jahre 2017 bis 2021 die Einstellung von 100 Richterinnen und Richtern sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälten vorsah, konnte eine erfolgreiche Maßnahme abgeschlossen werden.
Neben diesen zusätzlichen Stellen wurden in dieser Laufbahngruppe auch viele beispielsweise durch Altersabgänge frei gewordene Stellen genutzt, um qualifizierten Nachwuchs einzustellen. So sind derzeit allein etwa 130 Probe-richterinnen und -richter an sächsischen Gerichten und Staatsanwaltschaften beschäftigt. Unter den vielen neuen Kolleginnen und Kollegen sind auch Menschen, die bereits einiges an Berufserfahrung mitbringen. So schauen wir verantwortungsbewusst voraus und beugen der nächsten Ruhestandswelle vor.
Wichtig war für die verstärkten Neueinstellungen in den weiteren Laufbahnen der Erfolg im Doppelhaushalt 2021 und 2022: Auf der sächsischen Justiz lastete lange die Verpflichtung zu weiterem Stellenabbau. Diese wurde fast vollständig aufgehoben. Damit hat die Justiz nun deutlich bessere Voraussetzungen, sich personell zukunftsfähig aufzustellen.
Mit Voraussicht haben wir auch einen stärkeren Schwerpunkt auf die eigene Ausbildung gelegt. Eine deutliche Aufstockung der Ausbildungszahlen in allen Fachbereichen ab dem Ausbildungsjahr 2019/2020 war eine konsequente Folge, die Erweiterung und Modernisierung von Ausbildungsstandorten eine weitere. Am Ausbildungszentrum in Bobritzsch wird diese Ausbildungsoffensive gut sichtbar. Hier sollen Provisorien durch Erweiterungsbauten ersetzt, für eine gute Infrastruktur gesorgt und weitere Büros und Lehrsäle technisch zeitgemäß ausgestattet werden.
Digitalisierung des Rechtsstaates
Dass zur zeitgemäßen Ausstattung von Gerichtssälen mehr gehört als Richterpult und Zeugentisch, hat spätestens die Corona-Pandemie bewiesen. Entsprechend haben wir eine Ausstattungsrichtlinie verabschiedet, nach der künftig in jedem Gerichtssaal in Sachsen Onlineverhandlungen stattfinden können. Dafür haben wir Videokonferenzanlagen installiert, die perspektivisch durch umfangreichere Technik ergänzt werden.
Und auch an anderer Stelle geht die Digitalisierung des Rechtsstaates voran, nämlich mit der elektronischen Verfahrensakte – kurz E-Akte. Seit Juni 2021 wird sie schrittweise in Zivilverfahren der ordentlichen Gerichtsbarkeit flächendeckend eingeführt. Weitere Bereiche folgen.
Ab dem 1. Januar 2026 sind dann alle Gerichte und Staatsanwaltschaften zur elektronischen Aktenführung verpflichtet. Spätestens dann wird die E-Akte das sein, was die E-Mail schon lange ist: Alltag.
Erforschung von Entstehung und Wahrnehmung von Kriminalität
Neben der personellen und materiellen Ausstattung ist es uns wichtig, eine Basis für kluge, rechtsstaatliche Entscheidungen zu schaffen, die auch von den Bürgerinnen und Bürgern nachvollzogen werden können. Dies geht nur mit leicht zugänglichem und verständlichem Wissen. Viel zu häufig basiert der Umgang mit Kriminalität aber auf individuell "gefühlten Fakten" statt auf wissenschaftlichen Erkenntnissen. Mit dem Zentrum für kriminologische Forschung Sachsen e.V. (ZKFS) haben wir die erste selbstständige Forschungseinrichtung zur Kriminologie in Ostdeutschland auf den Weg gebracht.
Das an die TU Chemnitz angegliederte Institut soll in übergreifender Zusammenarbeit verschiedener Fachrichtungen zu allen Teilbereichen der Kriminologie und Kriminalpolitik arbeiten. Es geht darum, die Entstehung und Wahrnehmung von Kriminalität genauer zu erforschen und den drängenden Fragen der Prävention nachzugehen. Aus den Erkenntnissen des Instituts werden in Zukunft Handlungsempfehlungen abgeleitet und politische Entscheidungen wissenschaftlich untersetzt. Die Arbeiten des ZKFS sollen zudem auch als wissenschaftliche Grundlage für eine an Evidenz ausgerichtete Strafverfolgungspraxis in Sachsen genutzt werden können.
Gemeinsame Richtlinien
Vom Generalstaatsanwalt des Freistaates Sachsen und den sächsischen Staatsanwaltschaften werden unter Einbeziehung der Personalvertretung gemeinsame Richtlinien zur einheitlichen Strafverfolgungspraxis erarbeitet. Sie sollen keine starren Maßgaben darstellen, sondern den sächsischen Staatsanwältinnen und Staatsanwälten als Orientierungshilfe dienen. Die kriminologische Forschung zeigt, dass eine strenge Praxis insbesondere in den Bereichen der Klein- und Suchtkriminalität keinen erheblich positiven Effekt erzielt. Im Gegenteil: Hier präventiv und in jedem Einzelfall mit Augenmaß zu arbeiten, zahlt sich viel mehr aus. So können sich die sächsischen Staatsanwaltschaften bei ihrer Arbeit außerdem stärker auf Bereiche wie Gewalt-, Wirtschafts- und organisierte Kriminalität konzentrieren. Für die Gesellschaft und unsere Demokratie ist das eine gute Nachricht.