16.06.2023

Gewaltschutz, Frauenförderung in Strukturwandelregionen und Entgeltgleichheit

© Ministerium für Soziales, Gesundheit, Integration und Verbraucherschutz des Landes Brandenburg

Auf der 33. Konferenz der Gleichstellungs- und Frauenministerinnen und -minister, -senatorinnen und -senatoren der Länder (GFMK) hat Sachsen drei wichtige Anträge mitinitiiert und erfolgreich durchgesetzt.

Die Konferenz stand unter dem Schwerpunkt »Aus der Pandemie lernen – für eine nachhaltige und krisenfeste Gleichstellungspolitik« und wurde vom Land Brandenburg in Potsdam ausgerichtet. Die Anträge, die das Staatsministerium der Justiz und für Demokratie, Europa und Gleichstellung (SMJusDEG) gemeinsam mit anderen Bundesländern eingebracht hat, befassen sich mit verschiedenen Aspekten dieses Themas. Alle drei Anträge wurden jeweils mit großer Mehrheit angenommen.

»Recht auf Schutz und Beratung bei geschlechtsspezifischer Gewalt soll bundesweit gesichert werden«

Das Recht auf Schutz in geeigneten Einrichtungen sowie fachkundige Beratung bei geschlechtsspezifischer Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt soll bundesrechtlich abgesichert werden. Der Beschlussvorschlag des SMJusDEG »Absicherung des Rechts auf Schutz und Beratung in Umsetzung der Istanbul-Konvention« begrüßt dieses Vorhaben der Bundesregierung. Damit soll eine flächen- und bedarfsdeckende Versorgung mit spezialisierten Schutz- und Beratungsstrukturen gemäß Artikel 22 und Artikel 23 der Istanbul-Konvention bundesweit sichergestellt und ein einheitlicher Rahmen für den Zugang zu Unterstützung geschaffen werden. Der Antrag wurde vom SMJusDEG erarbeitet und von den Ländern Bremen, Hessen und Sachsen-Anhalt unterstützt.

»Geschlechtsspezifische Gewalt gegen Frauen ist eine Menschenrechtsverletzung, die täglich stattfindet unabhängig von Bildungsgrad oder gesellschaftlicher Stellung. Und sie ist kein Randphänomen – die Zahlen sprechen da für sich. Wir benötigen einen bundeseinheitlichen Rechtsrahmen, der Betroffenen Schutz zusichert. Bund, Länder und Kommunen sind hier gemeinsam in der Pflicht«, sagt Gleichstellungsministerin Katja Meier.

Die erst Anfang April veröffentlichte »Dunkelfeldstudie zur Viktimisierung von Frauen durch häusliche Gewalt, Stalking und sexualisierte Gewalt« für Sachsen zeigte, dass nur etwa jede zehnte Tat angezeigt wird und dies in erster Linie, weil Frauen sich immer noch schämen, wenn ihnen Gewalt widerfahren ist. Seit 2019 hat der Freistaat Sachsen das Hilfesystem deutlich ausgebaut und finanziell gestärkt: Im Jahr 2019 standen dafür rund 4 Mio. EUR zur Verfügung – im Jahr 2023 mit 12,4 Mio. EUR das Dreifache. Für 2024 noch einmal eine leichte Steigung auf dann 12,7 Mio. EUR vorgesehen.

Das SMJusDEG überarbeitet derzeit den Landesaktionsplan bezüglich des Gewaltschutzes unter Berücksichtigung der Anforderungen der Istanbul-Konvention. Inzwischen gibt es in zwölf von 13 Landkreisen und kreisfreien Städten Sachsens eine Interventions- und Koordinierungsstelle. Der Vogtlandkreis wird noch Ende dieses Jahres folgen. Das SMJusDEG hat die Plätze in Frauen- und Kinderschutzeinrichtungen ausgebaut und die Kapazitäten in anderen Einrichtungen des Gewaltschutzes wie zum Beispiel Täterberatungsstellen deutlich erhöht.

»Strukturwandel geschlechtergerecht gestalten und begleiten«

Den Antrag »Strukturwandel geschlechtergerecht gestalten und begleiten« plädiert für eine noch stärkere Berücksichtigung der Geschlechterperspektive in Strukturwandelregionen. Dabei sollen öffentliche Mittel geschlechtersensibel eingesetzt, gleichstellungspolitische Forschungen gefördert und Entscheidungs- und Begleitgremien geschlechterparitätisch besetzt werden. Die Transformationsprozesse sollten kontinuierlich wissenschaftlich unter gleichstellungspolitischen Aspekten begleitet werden und erfordern zudem die Beteiligung auch und insbesondere von Frauen, so die Antragstellerinnen. Der Antrag wurde vom Land Sachsen gemeinsam mit Brandenburg und Sachsen-Anhalt erarbeitet.

Gleichstellungsministerin Katja Meier begrüßt, dass der Vorschlag von einer Mehrheit der Bundesländer angenommen wurde: »Gleichstellungsfragen im Strukturwandel sind für die Zukunftsfähigkeit der Regionen höchst relevant. Nicht zuletzt die Überalterung und die Abwanderung vornehmlich junger Frauen machen es notwendig, Strukturwandelprozesse stärker auf die Bedürfnisse von Frauen auszurichten. Maßnahmen dürfen sich nicht nur auf männerdominierte Branchen ausrichten, sondern müssen auch Branchen mit einem hohen Anteil an weiblichen Beschäftigten und Unternehmerinnen in den Blick nehmen. Frauen müssen den geschlechtergerechten Strukturwandel aktiv mitgestalten können und in den Entscheidungsgremien paritätisch beteiligt sein.«

Der Freistaat Sachsen unterstützt den Strukturwandel in den vom Kohleausstieg betroffenen Regionen mit verschiedenen Maßnahmen, die die Regionen auch attraktiver für Frauen gestalten. Mit seiner Richtlinie zur Förderung der Chancengleichheit und der ESF Plus-Richtlinie Gleichstellung im Erwerbsleben 2021-2027 unterstützt das SMJusDEG Gründerinnen im ländlichen Raum – und damit Frauen in vom Strukturwandel betroffenen Regionen.

Außerdem setzt Sachsen auf die länderübergreifende Zusammenarbeit mit Brandenburg. Unter anderem plant das Bündnis Kommunaler Gleichstellungsbeauftragten in der Lausitz eine gemeinsame Reise nach Brüssel mit den Hausleitungen der Gleichstellungsressorts in Sachsen und Brandenburg. Ziel ist es, eine stärkeren Verbindung zwischen europäischer und kommunaler Ebene zu schaffen, da der Strukturwandel in der Lausitz modellhaft für weitere Regionen in der Europäischen Union ist.

Sachsen und Brandenburg verständigen sich zudem gerade dahingehend, die geschlechtersensible wissenschaftliche Begleitung der Transformationsprozesse in der Lausitz durch eine länderübergreifende Studie zu unterstützen.

»Durchsetzung des Grundsatzes der Entgeltgleichheit in Deutschland«

Auf Initiative Sachsens brachte die Arbeitsgruppe »Arbeitsmarkt für Frauen« den Antrag »Durchsetzung des Grundsatzes der Entgeltgleichheit in Deutschland« ein. Die antragstellenden Länder betonen darin die Notwendigkeit, das europa- und verfassungsrechtlich verankerte Gebot der Entgeltgleichheit in Deutschland durchzusetzen. Sie fordern den Bund auf, einen im Koalitionsvertrag angekündigten Gesetzentwurf zeitnah vorzulegen, nachdem die zweite Evaluierung im Sommer dieses Jahres abgeschlossen ist. Neben der Fortentwicklung der rechtlichen Regelungen fordert die GFMK vom Bund auch, Transparenz zur Datenlage herzustellen, einen digitalen Lohnatlas mit Ausweisung von regionalen sowie branchen- und qualifikationsbezogenen Unterschieden zu erstellen, Wissenstransfer zum Gebot der Entgeltgleichheit auf einer zentralen Internetplattform zu ermöglichen und zu prüfen, welche der vom Bund geförderten Lohnprüfverfahren vollständig oder teilweise in digitaler und interaktiver Form angeboten werden können, um insbesondere kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) die Möglichkeit zu geben, diese Verfahren unkompliziert anzuwenden.

Gleichstellungsministerin Katja Meier betont die Folgen fehlender Entgeltgleichheit, nämlich »eine geringere Rente, ein höheres Armutsrisiko und insgesamt eine geringere gesellschaftliche und politische Teilhabe«. Sie fordert eine Stärkung des Gebotes zur Entgeltgleichheit: »Eine wichtige Voraussetzung für die Durchsetzung der Entgeltgleichheit und damit für die Herstellung verfassungsmäßiger Grundsätze ist hinreichende Entgelttransparenz. Die Verabschiedung der EU-Lohntransparenzrichtlinie am 24. April dieses Jahres durch den Rat der EU ist ein Meilenstein und ein erster Schritt in die richtige Richtung. Weitere Maßnahmen der Mitgliedsstaaten bleiben weiterhin notwendig. Die Bundesregierung ist jetzt dringend aufgefordert, die zwingend erforderliche und angekündigte Novellierung des Entgelttransparenzgesetzes zügig und vor allem noch innerhalb der aktuellen Legislaturperiode durchzuführen.« Aussagekräftige Daten seien Voraussetzung für eine effektive Durchsetzung und Überprüfung der Wirksamkeit des Entgelttransparenzgesetzes.

Neben Gesetzen und Daten braucht es Sensibilisierung, Öffentlichkeitsarbeit, Information aller Betroffenen und Beratung. Die Sächsische Staatsregierung arbeitet unter dem Motto »Weil Frau es sich mehr als verdient hat« derzeit aktiv an den Themen Entgeltgleichheit und Entgelttransparenz.

Mit dem Modellprojekt Entgeltgleichheit schafft das SMJusDEG Transparenz zum Gender Pay Gap in Sachsen. Auf Basis einer regionalen differenzierten Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) für Vollzeitbeschäftigte hat es zudem eine Informationswebseite mit einer interaktiven Gender Pay Gap-Landkarte für Sachsen und ersten Handlungsoptionen für Unternehmen und Beschäftigte erstellen lassen. Eine gemeinsam mit dem DGB Sachsen organisierte vierteilige Workshopreihe »Gender Pay Gap in Sachsen« endete am 7. Juni dieses Jahres. Mehr als 200 Menschen hatten sich hier an der Suche nach Lösungen beteiligt. Ein erstes Ergebnis ist das Papier »Maßnahmenkatalog – Entgeltgleichheit in Sachsen«.

»Gleichberechtigte politische Teilhabe von Frauen realisieren«

Dem Leitantrag »Gleichberechtigte politische Teilhabe von Frauen realisieren« schloss sich der Freistaat Sachsen an. Der Antrag appelliert an die Verantwortlichen, die Gleichberechtigung von Frauen und Männern gemäß Art. 3 Abs. 2 Satz 2 Grundgesetz konsequenter umzusetzen und die dafür notwendigen Bedingungen zu schaffen. Frauen sind in politischen Gremien deutlich unterrepräsentiert und zugleich stärker betroffen von der aktuellen vielfältigen Krisenlage. Gleichberechtigte Teilhabe sei darum entscheidend für das Funktionieren der repräsentativen Demokratie. Und sie kann nur gelingen, »wenn alle Interessen einer vielfältigen Gesellschaft in den Parlamenten und Regierungen vertreten werden. Sind Frauen, die mehr als die Hälfte der Bevölkerung stellen, sowie andere Bevölkerungsgruppen unterrepräsentiert, werden auch deren Lebensrealitäten und Perspektiven nicht sichtbar. Vielfältig zusammengesetzte politische Gremien steigern die Qualität und Akzeptanz politischer Entscheidungen und wirken Politikverdrossenheit entgegen.«

Demokratie- und Gleichstellungsministerin Katja Meier betont: »Unsere Demokratie muss jeden Tag aufs Neue behauptet und gestärkt werden. Wer von Demokratie spricht, der darf zu Gleichstellung nicht schweigen. Auch hier gilt es, Errungenschaften zu verteidigen und auszubauen, die eigentlich selbstverständlich sein sollten – Chancengleichheit, Teilhabe und gleiche Möglichkeiten, Politik mitzugestalten und gehört zu werden. Erst, wenn Frauen in gleichem Maße in politischen Entscheidungsgremien vertreten sind wie Männer, erst dann wird die Lebenswirklichkeit von Frauen auch so im politischen Handeln abgebildet werden, wie es nötig ist.«

Der Maßnahmenkatalog der Fachkommission zur gleichberechtigten Teilhabe von Frauen an Wahlämtern in Sachsen unter Vorsitz von Gleichstellungsministerin Katja Meier benennt bereits konkrete Handlungsfelder und –optionen und soll durch die Staatsregierung sowie weitere Akteurinnen und Akteure, insbesondere politisch Parteien und politisch aktive Institutionen umgesetzt werden. Ziel ist die Steigerung des Frauenanteils bei Kandidaturen und Mandaten im Rahmen der Kommunal- und Landtagswahlen in Sachsen im Jahr 2024.

Gleichstellung in Sachsen

 

 

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